Derzeit wird viel über das Ende der unipolaren Weltordnung geschrieben und die multipolare Weltordnung skizziert. Was aber, wenn dieses Szenario falsch ist? Was wenn es nicht eine multipolare Ordnung gibt, sondern weitere unipolare Ordnung aber unter anderem Vorzeichen? Ich weiß nicht mehr von wem der Satz stammt: Im Osten ist der Kommunismus untergegangen, im Westen muß er noch untergehen. Jedenfalls ist dieser Satz vielleicht genau das, was gerade geopolitisch passiert. Als der Warschauer Pakt und die Sowjetunion untergingen, da schien es als der große Sieg des "Westens". Nun, was ist wenn das gleiche nun passiert auf der anderen Seite: Die Nato und die USA gehen unter. Wäre das nicht ein Szenario?

Indizien

(1) Die Relation zwischen Sowjetunion und Warschauer Pakt entspricht dem von USA und Nato. Mit einer Ausnahme: Die USA sind übern Teich.
(2) Die Abhängigkeit innerhalb des "Konglomerats" der Nato zeigt, daß die einzelnen Staaten nicht souverän sind und de facto handlungsunfähig.
(3) Die geostrategischen Ziele der Nato sind auf ganzer Linie am Scheitern und je länger dieser Zustand dauert, desto schlimmer wird es.
(4) Die ökonomische Weltordnung zerbröselt gerade.
(5) Die Revolution ist drei Mahlzeiten entfernt.

Gehen wir die Punkte durch:
Wir sehen die Abhängigkeiten sehr deutlich. Trump hätte es schon gesagt, daß die Nato-Staaten ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachkommen und <2% des Haushalts für Rüstung ausgeben. Das bedeutet, daß die USA die Schutzmacht sind und die anderen sich dranhängen. Die Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten war deshalb abhängig von den USA. Und umgekehrt hat die USA die Sicherheitspolitik vorgegeben. Deshalb waren die Einsätze der USA in den letzten Jahren überhaupt möglich (Syrien, Libyen, ...). Der Kurs kommt aus Washington, was zunächst als politisch-strategischer Vorteil gilt. Doch nun - und das ist Punkt 2 - wird diese Abhängigkeit gewendet. Statt ein Druckmittel zu sein und Macht darüber auszuüben wird es zu einer Klette am Bein. Die Politik der Nato-Staaten reißt die USA mit sich. Gerade weil sie keine Souveränität ausüben, müssen die USA handeln. Das ist ein Vabanque-Spiel! Und zwar extrapolieren die USA den bisherigen Weg linear in die Zukunft. Es geht um die Rüstungsspirale, usw. Doch die Länder Europas sind am Ende. Was wäre denn, wenn die EU implodiert? Was sollen die Amerikaner dann machen? Es gibt dann keinen "Westen" mehr. Es sind dann drei Blöcke. Und die EU ist ein gemeinschaftlich zusammengesackter Haufen. - Und das ist eben der Unterschied zwischen Warschauer Pakt und Nato: die Amerikaner sind übern Teich. Es ist eben keine Schicksalsgemeinschaft zwischen USA und EU. Das darf man nicht unterschätzen.

Schauen wir uns dann die Sanktionen an: Was passiert denn da? Nicht umsonst hört man das Stichwort "Morgenthauplan" wieder. Die Ablösung von russischen Rohstoffen führt zu einer wirtschaftlichen Krise. Und da muß man unterscheiden. Die Krise ist nicht in den USA, sondern dem westlichen Europa. Die Zerstörung der europäischen Wirtschaft geht munter weiter. Das ganze Outsourcing, die Lieferabhängigkeiten von China, usw. hat dafür gesorgt, daß man nicht nur von den Rohstoffen, sondern auch von der Warenproduktion des Auslands abhängig ist. Man denke da etwa an die Textilien. Da gibt es ja nichts mehr in unseren Breitengraden. Wir haben davon gelebt, unsere Kleidung billig im Ausland zu produzieren, was unsere Kosten niedriggehalten hat, während die Kaufkraft des Euros schwindet. Das beziehe ich auf die reale, ausgegebene Geldmenge. Das konnte über Jahre kaschiert werden. Doch nun ist es offenkundig, denn der Euro ist gegenüber dem Dollar um mehr als 20 Cent abgerutscht, sodaß der Dollar stärker ist als der Euro. Anders gesagt: Wir haben einen Großteil der Produktion ins Ausland verlagert und können das nicht so einfach wieder zurückholen. Die billige Einkaufstour im Ausland ist vorbei. Früher hieß es, daß wir nicht wettbewerbsfähig sind, da zu hohe Personalkosten. Jetzt kommt etwas anderes hinzu: Die Währung ist nicht wettbewerbsfähig. Es kann sein, daß die Importe nicht nur teurer werden wegen der Euro-Abwertung, sondern sich die Preise dadurch insgesamt korrigieren, weil andere Länder im Verhältnis zahlungskräftiger werden. Daraus kann schnell eine Spirale werden.
Fragen wir hart: Was passiert, wenn die Inflation so reinhaut wie 1923, wenn die Waren angebotsmäßig nicht mehr verfügbar sind und die Lebenshaltungskosten in die Schulden treiben? Was passiert dann? Ich meine das nicht bezogen auf das Inland, sondern bezogen auf die geopolitische Lage. Was passiert mit der EU dann? Stellen wir uns einen Blackout vor: Was würde dann passieren? - Die Welt wäre eine ganz andere.
Im Zuge der Sanktionen, Punkt 4, sehen wir den Zusammenbruch des Petrodollars. Die wirtschaftliche Hegemonie der USA und die militärische Hegemonie der USA driften auseinander. Die BRICS-Staaten machen ihr eigenes Ding und das ist nicht irrelevant. Die große Gefahr ist, daß dem Dollar als Weltleitwährung der Stecker gezogen wird. Natürlich wird das für alle Schwierigkeiten bereiten. Aber die Grundlage ist dann eine völlig andere. Die Frage nach der Polarität entscheidet sich an der Frage, welche Währung das Rennen im internationalen Handel macht. Und das entscheidet dann darüber, wer über wen Macht hat.

Zum Schluß noch eine Überlegung zum Thema "digitale Währungen". Wird das passieren? Die Antwort ist: Nein. Die digitale Währung wird als Kontrollinstrument vielleicht implementiert. Doch bereits innerhalb von kurzer Zeit wird das alles abwürgen, was Initiative erfordert. Anders gesagt: Sie wäre der Übergang von Marktwirtschaft zu Mangelwirtschaft. Mit diesem Szenario kann man keine Geopolitik machen.

Schlußfolgerung: Warum also die gegenwärtige Politik? Was erklärt sie? Ich würde es so sagen: Der kontrollierte Zusammenbruch Deutschlands ist der einzige Weg zur Souveränität. Und das ist auch der einzige Weg in die Zukunft. Denn der Untergang des Westens wird dafür sorgen, daß die Abhängigkeiten, das Vasallentum, aufhört. Und dann kann Europa neusortiert werden. Dann können die Fehler des 20. Jahrhunderts aufgearbeitet werden.

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