Sechs zentrale Probleme
Diese Probleme hat der Mensch im digitalen Dschungel zu lösen. Ansonsten kann seine Meinung stets von außen manipuliert bzw. gar gekapert werden. Es geht um die Gedankenhoheit und die Wehrhaftigkeit der Seele. Doch nun zu den einzelnen Problemen und ihren Lösungen.
Eine Zeitung wird einmal gedruckt und dann ist der Text körperlich fixiert. Die Tinte ist trocken und nicht mehr manipulierbar. Es gibt keine Versionierung der Veröffentlichung. Im Internet dagegen ist es anders. Der Text ist nicht fixiert, ist nicht auf Papier verfügbar, sondern auf irgendeiner Festplatte. Diese Daten können verändert werden, umgeschrieben werden, neugeordnet werden. Das betrifft letztlich sämtliche Nachrichten! Man kann nicht nur den Text ändern, sondern auch den Autor, das Veröffentlichungsdatum, die Bilder, usw. Das bedeutet, daß das, was gestern noch galt, heute nicht mehr gelten muß. Die Geschichte kann umgeschrieben werden. Das ist beängstigend! In George Orwells 1984 war genau das ein Thema und eine reguläre Beamtentätigkeit: Die Zeugnisse der Vergangenheit zu editieren nach der heutigen Mode. Wir haben uns dieser Fiktion leider angenähert. Denken wir in besonderer Weise an die Wikipedia. Sie gibt sich als eine Online-Enzyklopädie. Hier werden ständig die Artikel geändert, Versionen erstellten, ganze Artikel gelöscht, usw. Es ist Teil der Arbeitsweise mit Texten in unserer Zeit, daß sie alles mögliche sind, nur nicht permanent.
Jede digitale Nachricht kann digital reproduziert werden. Die einfachste Form heißt "Speichern unter..." oder "Drucken". Der digitale Leser braucht ein eigenes Archiv, um die Daten, die er verstetigen will, zu sichern. Das umfaßt mindestens zwei Ebenen:
(1) Das digitale Abbild der Nachricht (aka die Kopie) mitsamt den wichtigen Daten, also Text, Bilder, Autor, Zeitstempel, Permalink auf die Nachricht, in einem handlichen Format, also PDF.
(2) Das Archiv, in dem diese Nachrichten gesammelt werden. Diese Sammelstelle muß zwangsläufig eine einfache, zweckmäßige Dateistruktur haben und über ein Backupsystem verfügen.
Ich halte es nicht für sinnvoll z.B. eine Software zum Sichern zu benutzen, die alles in eine Datenbank packt oder lustige Dateiformate benutzt. Das Archiv muß möglichst wenig Schwierigkeiten bereiten und sozusagen narrensicher sein. Neben dem Archiv selbst (d.h. wie die Regale in der Bibliothek) benötigt man noch eine Inhaltsübersicht, die möglichst einfach zu filtern ist. Das kann eine Exceltabelle sein (was ich nicht empfehle) oder ähnliches. Dazu gleich mehr.
Eine Nachricht kommt nicht aus dem Nichts und fällt nicht aus dem Himmel. Immer gibt es einen Kontext, eine Vorgeschichte, eine Verbindung zu anderen Ereignissen. Um eine Nachricht zu verstehen ist es fundamental, ihren Kontext zu erfassen. Es geht hierbei nicht um eine Einordnung durch den Leser, sondern um den natürlichen Zusammenhang einer Nachricht selbst. Die Einordnung einer Nachricht würde darüber hinausgehen. Um ein Beispiel zu machen: Als im Jahr 2011 ein Tsunami die japanische Küste heimsuchte und die Stadt Fukushima verwüstete, da war die Meldung, daß es etliche Tote gab, als das Kernkraftwerk dort havarierte. Dies war kein natürlicher Zusammenhang. Die Toten hatten nichts mit dem Reaktor zu tun. Sie starben in Folge der Wassermassen.
Warum das so wichtig ist? Weil die Diskussion nach Fukushima um Reaktorsicherheit ging. Doch auch trotz höherer Reaktorsicherheit wären die Leute getötet worden. Sie hatten nichts damit zu tun. Die richtige Frage wäre also Tsunamiwarnsysteme gewesen. Doch das ging unter in den Magazinen.
An diesem Beispiel erkennen wir auch den Unterschied zwischen dem natürlichen Zusammenhang und dem künstlichen Zusammenhang. Letzteres nennt man Framing bzw. Reframing. Man löst den natürlichen Zusammenhang einer Nachricht auf und gibt ihr einen neuen Zusammenhang. Das verzerrt die Nachricht auf allen Ebenen.
Jede Nachricht muß auf ihren Kontext hin untersucht werden. Das bedeutet, daß die Verweise und Verknüpfungen der Nachricht weiterverfolgt werden müssen. Das ist zunächst eine sprachliche Arbeit und erfordert die Wachsamkeit und Sensibilität des Lesers. Dann muß recherchiert werden, ob diese Verweise und Verknüpfungen gültig sind oder nicht. Das ist inzwischen sehr kraß geworden, da die "aufgedunsene Schlagwortsprache" (Tucholsky) sehr viele Assoziationen gebrauchen, um den Kontext zu lenken. Wenn beispielsweise von "rechten Demonstranten" die Rede ist, dann muß dieser Gruppe nachgegangen werden. Was bedeutet "rechte Demonstranten"? Das weiß kein Mensch. Es geht darum, eine Assoziation auszulösen.
Sind diese Recherchen geschehen und der Kontext erarbeitet, so muß dieser festgehalten werden. Das geschieht, natürlich, wiederum über die Sicherung des erarbeiteten Kontextes. Da Verknüpfungen schnell kompliziert werden und Nachrichten meistens ein Themenfeld abdecken, bietet es sich an, themenzentrierte bzw. ereigniszentrierte Akten anzulegen. So wie ein Ordner angelegt wird mit dem Namen "Northstream II" kann es einen digitalen Ordner geben, der alles zu diesem Thema digital "abheftet". Die digitale Version des Aktenordners hat einen gewaltigen Vorteil: Sie kann verknüpfen.
Für diese Verknüpfungen ist eine Software hilfreich, die man mit Wissensmanagement bezeichnet. Das ist z.B. die Wikisoftware auf der Wikipedia läuft. Ich selbst nutze Tiddlywiki. Für meine Zwecke genügt das. Zugleich hat diese Software sogar noch mehr Features und ersetzt quasi mein komplettes analoges Notizbuch. Es kann mehr als das. Aber das ist ein anderes Thema.
Wenn diese Themenordner angelegt sind, also die PDFs mit ihren Metadaten, die Seite im Wiki, dann werden die lokalen Links mit Informationen auf der Wikiseite eingetragen. Andere Seiten können referenziert werden. So existiert ein Link von Northstream II zu z.B. Heiko Maas.
Das Hauptproblem dieser Art des Aktenanlegens und damit der Kontexturierung ist die Frage, wie weit man das Spiel treibt. Man kann nicht alles erfassen wollen. Man muß sich limitieren und das Wichtige vom Unwichtigen trennen. Oft werden Dinge aufbewahrt, die keinen Mehrwert haben. Dann führt das zur Vermüllung der Akten. Das sollte vermieden werden.
Ähnlich wie das vorige Problem geht es hierbei um die Unvollständigkeit einer Nachricht. Dabei sind es hauptsächlich drei Arten der Verzerrung: Kompression, Defektion und Artefakte.
Unter Kompression verstehe ich das Zusammenquetschen einer Nachricht in einen Rahmen, der für die Nachricht zu klein ist. Man stelle sich einen ausführlichen Bericht vor, der aufgrund von Sendebestimmungen eingedampft werden muß auf 90 Sekunden. In einem solchen Fall gehen wesentliche Informationen verloren oder werden ungenau. - Übrigens gibt es auch das umgekehrte Phänomen des aufgedunsenen Beitrags. Doch das ist weniger wichtig, da hier kein Informationsverlust vorliegt.
Unter Defektion verstehe ich das Verfälschen einer Nachricht durch intendiertes Weglassen einer wesentlichen Information. So etwas tritt auf, wenn bestimmte Verbindungen, die offenkundig vorliegen, nicht gezogen werden wollen. Ein Beispiel hierfür wäre die Verbindung zwischen der Beraterfirma McKinsey und der damaligen Verteidigungsministerin von der Leyen. Das Ministerium vergab Aufträge. Daß zwei Kinder der Verteidigungsministerin bei McKinsey arbeiten, wurde nicht erwähnt, obwohl das wichtig ist.
Unter Artefakten verstehe ich Einfügungen von Informationen, die nicht zur Nachricht gehören. So wie jemand bei Kameraaufnahmen eine Photobomb macht, so sind Artefakte in Artikeln. Ein Beispiel für Artefakte ist, wenn Cato am Ende seiner Rede sagte: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Thema der Rede und diesem Satz. - Ein anderes Beispiel wären die Überlegungen rund um den Synodalen Weg. Ziel der Synodalversammlung: Mißbrauchsaufarbeitung und Konsequenzen. Was eingefügt wird: Frauenpriestertum, Laieninvestitur und Zölibatsfreigabe. Hier werden Artefakte eingearbeitet, ohne daß ein Zusammenhang besteht zwischen Thema und Einfügung.
Im Grunde sind heute alle Nachrichten komprimiert. Max Weber sagte schon vor 100 Jahren, daß es eine Unsitte sei, die Erwartung zu haben, daß jedes Thema in einem 20-Minuten-Vortrag abgehandelt werden könnte. In diesem Sinne sind heute alle Nachrichten komprimiert. Jedes Thema braucht Raum. Eine Ausnahme - eine gute Entwicklung! - sind die Podcasts, insbesondere Joe Rogans Beiträge. Sie geben Raum, d.h. die Nachrichten werden dekomprimiert.
Der einfachste Schritt ist es, die Nachrichten von Artefakten zu befreien. Es ist der Schritt, das Zugehörige vom Unzugehörigen zu trennen. Man streicht einfach das Überflüssige raus und macht eine Notiz, wer diesen Quatsch verursacht hat, und notiert evlt. die Absicht dahinter.
Das Vervollständigen ist eine der klassischen Aufgaben des Journalisten. Es ist die Recherche. Das bedeutet etwa auch unklare Begriffe oder Bezeichnungen aufzuklären. Wenn in einem Artikel von der GAVI die Rede ist, dann sollte man klären, was die GAVI ist. Das ist mehr als nur das Akronym auflösen. Diese Dinge haben eine Bedeutung. Das muß aufgefüllt werden. So entsteht ein Schneeball. Man kommt von einem Stichwort zum nächsten Stichwort, von einer Institution zu Personen, die mit ihr verbunden sind. Das gilt auch inhaltlich. Die Corona-Geschichte wäre schnell geklärt gewesen, wenn man die Nachrichten nicht künstlich verkürzt hätte.
Die Dekompression macht am meisten Arbeit. Während die anderen Arbeiten sammeln und zusammentragen, so ordnet die Dekompression ein Thema. Es muß entfaltet werden. Die Puzzlestücke sollen zusammengesetzt werden. Erst in der Dekompression zeigt sich, ob ein Thema erschlossen wurde oder nicht. In der Ordnung des Stoffs werden Lücken oder Lügen sichtbar. Motive, Ziele, Manipulationstechniken werden offenbar. Darum geht es. Die Täuschungsmanöver können dann erst hervortreten und identifizierbar werden.
Mittel, um diese Schritte durchzugehen: Lern Googlen! Und zwar ohne Google zu benutzen. Die Suchmaschinen sind nützliche Tools. Ein andere Sache ist der Gebrauch von Archiven. Es geht eigentlich darum das volle Potenzial der Recherche zu entfalten, Quellenforschung zu betreiben, und dergleichen.
Im Hinblick auf die Dekompression kann es eigentlich nur eine diskursive Annäherung geben, d.h. man führt ein Gespräch à la Joe Rogan mit jemandem und sinniert darüber nach, was eigentlich Sache ist.
Die Hohe Schule der Medienmacher besteht darin, die Windungen der Widersprüche so zu verschleiern, daß sie nicht auffallen. Beispielsweise die Berichterstattung über die Wartung einer Turbine, die in einer Kompressorstation der Gaspipeline Northstream I benötigt wird, legte völlig transparent Widersprüche dar. Aber niemand begehrt dagegen auf. Da wurde gesagt, daß "die Russen" Schuld sind, daß die Fördermenge reduziert wurde. "Die Russen" antworten, daß die Firma Siemens (=deutsche Firma) eine Turbine in Kanada (=Westen) warten läßt und daß diese Turbine nicht eingeführt werden kann nach Rußland, da es die westlichen Sanktionen sind, die diesen Schritt blockieren. "Der Westen" verhindert, daß die Turbine geliefert wird, und Schuld ist dennoch "der Russe". Faszinierend ist das eigentlich. Und doch kommen die Nachrichtenmacher damit durch.
Je aufdringlicher die naheliegenden Konsequenzen und Schlüsse sind, die sich aus den Sachverhalten ergeben, desto gewalttätiger wird die Logik verdreht. Die Widersprüche werden auf Biegen und Brechen durchgesetzt. Letztlich regiert dann der blanke Irrsinn. - Inzwischen ist die Nachrichtenlage und die dazu gehörende Sachlage so sehr im Wahn versunken, daß eine konsistente Nachricht unwahrscheinlich ist. Die Beispiele für Inkonsistenzen - das ist noch höflich formuliert - wachsen täglich. Denken wir an die "friedlichen Proteste" der BLM-Bewegung, bei der Brandstiftung, Looting und rohe Gewalt weit verbreitet war. Oder denken wir daran, daß Demonstrationen gegen Regierungsmaßnahmen in der Coronazeit verboten wurden wegen der Infektionsgefahr, während BLM-Demonstrationen mit ähnlich großen Teilnehmerzahlen völlig in Ordnung waren.
Nachrichten müssen korrigiert werden. Das bedeutet, die logischen Widersprüche aufzudecken und aufzulösen. Das geschieht entweder, indem die Faktenlage geklärt wird, oder eine Lüge als Lüge enttarnt wird. - Die beiden genannten Beispiele, Turbine und BLM, zeigen sehr deutlich, daß die Faktenlage nicht das Problem ist. Sie ist eindeutig. Das Problem ist die Präsentation eines bewußten Widerspruchs. Die logische Inkonsistenz wird übergangen. Die Lösung hier besteht also darin, den richtigen Schluß zu ziehen.
Zu den Beispielen:
Welchen Schluß zieht man aus der Turbinen-Nummer? Der Vorwurf, daß "die Russen" die Gaslieferung reduziert haben, ist falsch. Es liegt nicht an "den Russen", sondern an den westlichen Sanktionen. Das ist der erste Fakt. Warum wird aber nun "der Russe" beschuldigt? Um davon abzulenken, daß es die westlichen Sanktionen sind, die uns schaden. Wer ist also in Wahrheit Schuld? Unsere Regierung. Die Frage lautet nun: Wie soll man mit seiner Regierung umgehen, die schamlos lügt, die gegen das Volk regiert und außenpolitisch Amok läuft? So weit kommt man mit einer einzigen Meldung, wenn man die Augen aufmacht.
Was ist mit BLM? Wie lautet die Korrektur dort? Es waren keine friedlichen Proteste. Es war einerseits Gewalt und andererseits die Außerkraftsetzung der öffentlichen Ordnung. Es wurden Verbrechen begangen und sie wurden nicht durch die Polizei verfolgt. Was heißt es, wenn Verbrechen nicht mehr verfolgt werden? Die Konsequenzen liegen auf der Hand. - Bei den Coronademonstrationen können wir eine Paralle erkennen. Zwar wurden in Deutschland keine Verbrechen begangen, aber der Ausnahmezustand wurde nach zweierlei Maß gemessen. Damit wurde offenbart, daß die Demonstrationsverbote an den Haaren herbeigezogen waren. Der gesamte Begründungszusammenhang war erstunken und erlogen. Das wurde offensichtlich. Die Konsequenz? Wir sind bei der Willkür angekommen. Die Begründungszusammenhänge sind vorgeschoben und die Ursache ist arbiträr, voluntaristisch, nicht rational, nicht verständig, nicht klug. Und die Frage für uns heißt dann: Wie geht man damit um?
Im Grunde kann man diesen Zustand verallgemeinern: Wenn Inkonsistenzen erlaubt werden und Menschen, die sie gebrauchen, "damit durchkommen", dann gilt allgemein die Willkür. Alle Schlußfolgerungen münden dort. Es geht dabei um ein Prinzip. Irgendwann wurde die Büchse der Pandora geöffnet und seitdem ist dieses Übel draußen. Damit ist das Vertrauen dahin. Alle Bemühungen, die Nachrichten zu korrigieren, genügen daher nicht. Nachrichten sollten nicht inkonsistent sein. Ganz einfach. Die Lösung des Problems liegt deshalb an anderer Stelle: Wie kann man verhindern, daß Menschen bewußt Inkonsistenzen hervorbringen/gebrauchen/in Kauf nehmen, um willkürlich zu handeln? Das ist die echte Antwort auf das Problem.
Die ganze Chose rund um Wikipedia hat offenbart, daß es anonyme Akteure gibt, die die Nachrichten verzerren, entstellen und umdeuten. Es gibt eine Art Lufthoheit in den Redaktionsstuben, die nicht offen benannt wird. Die Dokumentationen von Markus Fiedler und Co. haben dies deutlich gezeigt. In der Schule lernt jeder im Deutschunterricht die W-Fragen. Eine davon: Wer spricht? Das ist eine zentrale Frage. Roß und Reiter müssen genannt werden. Nachrichten fallen nicht vom Himmel und sein kein Passivum Divinum. Erst durch die Nennung des Urhebers können die Hintergründe und Zusammenhänge einer Nachrichten korrekt erfaßt und eingeordnet werden. Hinter den Nachrichten steht ein Interesse. Ohne Namen wird dies verschleiert.
Im Grunde handelt es sich um das Phänomen des Notrufes: Wer die Feuerwehr einmal ruft, ohne daß ein Brand besteht, dem wird einmal dieser Streich nachgelassen. Wer dies wiederholt tut, der kommt in die Bredouille, wenn es dann wirklich brennt: Die Feuerwehr rückt nicht mehr aus. Der Name einer Person gibt ihre Glaubwürdigkeit wieder.
Denken wir an eine andere Situation: die anonyme Denunziation. Es gibt immer wieder anonyme Schriftstücke, die Sachverhalte behaupten, die ein Fehlverhalten eines anderen darstellen. Solche Briefe sollen eine Handlung veranlassen, um der beschuldigten Person zu schaden. Wo solche Behauptungen vorgetragen werden, da gibt es kein ordentliches Verfahren. So sollten keine Konflikte gelöst werden. Jeglicher Konflikt kann nur in der Konfrontation der Personen aufgelöst werden. Ohne diese allgemeinen Regeln der Konfliktlösung wird der Konflikte von der Wahrheit abgetrennt und eine Sache der Macht, d.h. des längeren Hebels.
Anonyme Nachrichten sollten behandelt werden wie anonyme Briefe: Ab in den Papierkorb! Sie haben nichts verloren in einer erwachsenen Welt. Nicht umsonst haben wir ein Recht auf Widerrede (et audiatur altera pars). Konflikte benötigen die Wahrheit. Deshalb kann nur ein Austausch klären, was wirklich Sache ist. Die Konfliktlösung löst ohne Namensnennung und sachlicher Kommunikation nichts, sondern führt in die Gewalt und in die Rechtslosigkeit. Es sind die niederen Beweggründe, die sich durchsetzen. Auch deshalb benötigen Nachrichten nicht nur einen namentlichen Autoren, sondern auch sog. Quellen. Erst sie ermöglichen es, ein Urteil zu bilden.
Für die Zeit des Internets wird oft angeführt, daß Anonymität ein Garant der Sicherheit wäre. Man hätte negative Konsequenzen zu befürchten, man würde sich selbst ausliefern und vielleicht seine Existenzgrundlage verlieren, also seinen Beruf. Ja? Das kann sein. Gerade das sorgt dafür, daß die Aussage, die man tätig, wahrhaftig ist. Derjenige, der etwas zu verlieren hat, braucht sehr gute Gründe, um aus der Deckung zu gehen. Doch derjenige, der sich in Sicherheit wähnt und auf alles schießt, was sich bewegt, quasi aus dem Hinterhalt, der fürchtet nichts. Das ist eine Gefahr. Die Kultur Europas beruht seit der Renaissance darauf, daß die Menschen mit ihrem Namen für ihre Taten und Ansichten einstehen. Man nennt das Rückgrat.
Wird diese Courage nicht eingefordert, dann versinkt unsere Gesellschaft in anonyme Konflikte, wo der eine dem anderen einen Hinterhalt stellt. Ja, die Gesellschaft wird hinterhältig und in Wahrheit sind wir da schon angekommen. Zugleich erkennen wir auch an dieser Situation, was uns am meisten lähmt, was unsere Gesellschaft dysfunktional macht: die Angst. Sie ist der Haupttreiber unseres Niedergangs. Es ist die Angst, sozial erledigt zu werden. Es gibt keinen anderen Weg aus der Angst, als tapfer zu sein und mit seinem Namen einzustehen.
"Wie wenn in China ein Sack Reis umfällt" - von diesem Typ sind die allermeisten Nachrichten. Nehmen wir die Fußballberichterstattung. Das ist völlig irrelevant. Die Vielzahl der Nachrichten hat keine Bedeutung und keine Folge für mein eigenes Leben. Nach dem Prinzip des Clickbaits werden jene Nachrichten "nach oben" gespült, die die niederen Leidenschaften der Seele einfangen. Das wirklich Bedeutsame verschwindet auf den letzten Reihen. Das ist ein Problem. Ich erinnere mich an eine Zeitungsüberschrift mit Bild, ganz groß, auf der Titelseits: Biergärten geschlossen! Die eigentliche Nachricht des Tages, Ölpreis negativ, kam unten rechts klein am Rand.
Chesterton schreib einmal, daß ein großes Übel ist, daß große Nachrichten klein und kleine Nachrichten groß geschrieben werden. Das geht bis in das Schriftbild. Dieses Problem wurde seitdem verschärft. Die Frage nach der Relevanz ist also vorrangig. Der Leser braucht ein Filtersystem, was den irrelevanten Lärm, den geistigen Müll, herausfiltert. Und er muß selbst dazu kommen, was groß ist und was klein.
Aus meiner Sicht hat es sich bewährt Nachrichten zu filtern, indem man die Veröffentlichungsplattform innerlich beurteilt. Ich weiß, ob diese Nachrichten verläßlich sind oder nicht. So gibt es eine interne Liste im Kopf, die das im Bewußtsein behält. Ich gehe dabei ein einfaches Prinzip: Ein Nachrichtenportal, was dpa-Meldungen oder reuters-Meldungen oder ähnliches einfach nur reproduziert, brauche ich gar nicht betrachten. Diese Informationen werden so allgemein gestreut, daß ich es so oder so mitbekomme. Nicht weil ich diese Meldung aufgreife, sondern weil Leute darauf Bezug nehmen und sich die Nachricht über die Leute verbreitet. Nachrichtenblätter wie die Süddeutsche oder die FAZ brauche ich gar nicht anschauen. Das machen andere für mich und je nachdem, was sie wiederkäuen, gibt es eine Rückwirkung auf mich. Man kann sich sowieso nicht dem "Tagesgeschäft" entziehen. Es wäre daher nur Zeitverschwendung, sich mit solchen Blättern aufzuhalten.
Der zweite und eigentlich wichtigere Schritt ist es, die wesentlichen Informationsquellen anzuzapfen. Ich benötige möglichst viele unterschiedliche Quellen mit verschiedenen Ansichten, die mir die Möglichkeit geben, das aufzuspüren, was unter dem allgemeinen Radar der Öffentlichkeit vonstatten geht. Es sind die Blogs, die hier einen Mehrwert bieten und die Verweise auf interessante Inhalte vermitteln. Diese sind zu beobachten. Das geschieht am besten mit einem Feed-Reader. Ich habe lange Zeit tt-rss benutzt, heute nutze ich Miniflux. Selbstgehostet, um nicht abhängig zu sein.
Die Feed-Reader haben einen gewaltigen Vorteil: Man kann Nachrichten systematisieren. Man kann Kategorien bilden und so eine Vorsortierung machen. Dann werden alle Nachrichten angezeigt, nicht nur eine Auswahl, die auf der Frontpage existiert. Und es werden alle Nachrichten in der Ebene präsentiert. Das ist letztlich der große Vorteil. Ich muß nicht seitenweise Artikel überfliegen. Es genügt die Überschrift. So kann ich in kurzer Zeit 100 Artikel überschauen. Davon werden normalerweise 99 verworfen. Aber der eine Artikel, der einen Mehrwert hat, der interessant ist, den finde ich dadurch. Die Folge: Ich bin nicht nur schneller informiert, sondern ich bin auch besser informiert.
Ein weiterer Effekt des Feed-Readers ist, daß ich viele unterschiedliche Quellen habe. Ich entziehe mich der vorgefertigten Nachrichtenregie. Wer die Tagesschau schaut, der weiß nicht, was ihm entgeht. Das ist gelenkt. Der Zuschauer ist nicht souverän, sondern die Redaktion. Das ändert sich mit dem Feedreader. Ich kenne auch die Nachrichtenseiten, die ein andere Sicht auf das Zeitgeschehen haben. Ich ergattere Informationen, die sonst weggelassen werden. Kurz: Der Feed-Reader ist eines der nützlichsten und wichtigsten Tools, um im digitalen Zeitalter souverän zu sein.
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