1. Der Geist kann nur verstehen, was verstehbar ist. Das Unverstehbare entzieht sich dem Verstand. Die Erkenntnis beginnt damit, diese Grenze anzuerkennen. Die tollsten Lügen und schlechten Scherze von Menschen, die sich anmaßen, etwas zu verstehen meinen, beruhen darauf, Sinn zu entdecken, wo keiner ist.

  2. Der Geist ist sich selbst Autorität. Er ist der Urzustand der Demokratie, nämlich daß einjeder, der mit Geist ausgestattet ist, die Fähigkeit besitzt, einen Gedanken nachzudenken. Jegliche Autorität, die sich auf das Verstehen bezieht, beruht auf der Souveränität des Geistes. Alles andere ist Blasphemie in der Anmaßung eines guten, göttlichen Willens.

  3. Das Denken besteht niemals bloß darin, einen anderen Geist zu hinterfragen, sondern viel mehr darin, sich selbst zu widerlegen. Die Autorität eines anderen ist nur von Interesse, so fern der andere einen treffenden Gedanken hatte, den ich auch selbst nachvollziehen kann. Geläutert wird das Verstehen immer nur durch Selbstwiderlegung, weil es mich im Inneren berüht, die Wahrheit zu kennen.

  4. Der Ansatz von Descartes, bei sich selbst anzufangen, ist demnach folgerichtig. Wer diesem Ansatz nicht folgt, verunmöglicht ein Gespräch, weil der Geist den Gipfel schon erobert, den der andere von unten nicht einmal sieht. Es ist zwecklos, mit jemandem über bestimmte Auffassungen des Verstehens zu reden, wenn es nicht seine Auffassungen sind.

  5. Der spezifische Fehler des modernen Menschen, des Physikalisten, besteht darin, das Erkenntnissubjekt unter den Teppich zu kehren. Deshalb redet jener immer von "unserem" Wissen, "dem" Wissen, usf. Er redet nie von "seinem" Wissen, weil er nicht die Person ist, die etwas weiß. Es ist mühsam mit so einem zu reden, der mir immer unterstellt, ich könnte ihm den Kopf schauen, weil es nicht "sein" Wissen wäre, sondern "unser" Wissen.

  6. Doch selbst derjenige, der das Wagnis von Descartes eingegangen ist, kommt nur zum Verstehen, wenn er Descartes überschreitet und weiß, daß das Subjekt sich ihm nur als Objekt offenbart und in sich ein Geheimnis ist, und daß der Zweifel voraussetzt, daß es etwas gibt, was man bezweifeln kann. Man kann Dinge nicht bezweifeln, von denen man nichts weiß.

  7. Hinzu tritt noch eine weitere Voraussetzung: die Fähigkeit zur Unterscheidung. Sie holt das Verstehen von der Oberfläche und macht es tief. Das Erkennen ist eigentlich eine Sache des musikalischen Menschen, des Dichters, der ein ganzes Buch braucht, um ein einziges Gefühl annähernd auszuloten.

  8. Die Erkenntnis hängt von der Menge der Lemmata des Wörterbuchs der inneren Wörter ab.

  9. Das Mißverstehen erkennt man immer an dem Nebel, in den die Worte gehüllt sind. Wer versteht, spricht klar.

  10. Begriffe an sich sind dem Erkennen abträglich. Keine Sprache kann fassen, was eine Sache wirklich ist, und die Worte, derer wir uns bedienen, um zu beschreiben, sind noch ärmer dran.

  11. Mit jenen, die den Geist leugnen, kann man auch nicht über Erkenntnis reden. Sie sind blind gegenüber der fundamentalen Wirklichkeit, die dem Erkennen vorausgeht. Solche meinen, ein Sinn würde sich aus dem Stofflichen ergeben, ohne daß sie bemerken, daß der Sinn selbst nichts Stoffliches ist.

  12. Der Drang nach Objektivität ist ein sinnloses Unterfangen. Die Wahrheit des Verstehens ist völlig unabhängig davon, ob ein anderer fähig ist, sie zu verstehen.

  13. Es ist schwer mit jemandem über das Verstehen zu reden, der an Methoden glaubt. Es gibt keine Mechanik des Geistes.

  14. Viele vergessen, daß die Deduktion eine Mechanik ist. Nur weil man einen Obersatz und einen Untersatz formal korrekt zu eine Konklusion bringt, heißt nicht, daß man die Konklusion verstanden hat, geschweige denn die Prämissen.

  15. Die Idee des Beweises sollte uns mit Skepsis erfüllen. Der Beweis selbst ist unbeweisbar.

  16. Die Wahrheit ist evident oder sie ist nicht.

  17. Wer sich selbst mißtraut hat keinen Grund einem anderen zu vertrauen. Wem vertrauen, wenn nicht mir selbst?

  18. Auch die Wahrnehmung verliert ihren Sinn, wenn sie nicht vom Geist herrührt. Nicht die Sinne erfassen die Dinge, sondern der Geist.

  19. Die meisten Probleme des Unglaubens verschwinden, wenn man sich auf den Geist besinnt. Es ist ein Wunder, daß ich fähig bin, Dinge zu verstehen, und das ist viel tiefgreifender als alles andere. Nur eine Ausnahme existiert: Das Dasein selbst ist noch viel tiefer und staunenswerter.

  20. Man kann sich im Philosophieren verlieren, wenn man die tiefen Dinge nicht in sich bewahrt hat. Die Existenz der Vergangenheit übersteigt mein kleingläubiges Denken.

  21. Ein anderes Beispiel ist die Krümmung des Raumes: gekrümmt gegebenüber was? Gegenüber der Existenz eines orthogonalen Koordinatensystemes, das sich der Verstand ausgedacht hat, was aber nicht existiert.

  22. Menschen, die versuchen, die Welt mit Gesetzmäßigkeiten zu vermessen, haben für gewöhnlich nicht einmal darüber nachgedacht, was Gesetze sind.

  23. Die Versuche, die Philosophie auf den "sicheren Gang der Wissenschaften zu führen", übergehen die Irrtümer, daß "die" Wissenschaft weder sicher ist noch überhaupt existiert. Es gibt keine Wissenschaft, nur Wissen; und das ist ein Wagnis.

  24. Eine Sache und die Wahrheit über eine Sache sind nur insofern identisch, als sie im Geist gleichermaßen geeint sind.

  25. Man vergißt leicht über die Illusion der Wahrnehmung, daß die Sache mehr als das ist, was wir von ihr wahrnehmen. Die Sache selbst ist ein Geheimnis und wirklicher als der Abdruck, den sie gnädigerweise der Wahrnehmung überläßt.

  26. Sowohl die Existenz einer Sache als auch ihre Bedeutung übersteigen die Sache selbst um ein Vielfaches. Eigentlich ist die Sache selbst das, wo Existenz und Bedeutung geeint sind.

  27. Der Geist erfaßt keine Sache auf direktem Wege. Alles ist vermittelt - außer Gott. Gott vermittelt sich durch sich selbst.

  28. Es gibt auch Verzerrungen im Erkennen, die auf zeitgemäßen Ressentiments beruhen. Zum Beispiel beruht der Materialismus darauf, daß eine Substanz über ihre Eigenschaften definiert ist. Doch die Akzidenzen sind stets nicht wesenhaft.

  29. Akzidenzen bringen das Wesen zum Klingen ohne mit dem Wesen identisch zu sein. Die Idee von "Wesenseigenschaften" ist das Instrument, um das eigene Unvermögen zu kaschieren, das Wesen einer Sache zu verstehen.

  30. Die Metaphysik bringt das Erkennen zur Blüte, denn sie enthält das Wesen der Dinge. Das moderne, häßliche Stiefkind "Ontologie" verfehlt das Wesen der Dinge ohne es zu bemerken.

  31. Der schwerwiegendste Fehler in der Ordnung des Erkennens ist die Annahme, daß die Dinge neutral wären. Die Frage, neutral wovon?, kann nie sinnvoll beantwortet werden.

  32. Der Weg der Abstraktion, wie ihn Hegel annahm, vergißt, daß eine Sache niemals abstrakt ist. Sie existiert immer in einer Ordnung und ohne die Ordnung ist jedes Erkennen fehlgeleitet.

  33. Die moderne Wissenschaft verspürte durch die dialektische Erkenntnistheorie Aufwind, da die Lehrsätze des Atomismus plötzlich als legitim erachtet wurden.

  34. Das Verhältnis von Teil und Ganzem ist eine vorrangige metaphysische Frage. Wer sie nicht versteht, versteht auch alle anderen Fragen, die davon abhängen nicht.

  35. Erkennen ist stets die Suche nach den Urgründen. Ohne die Urgründe hat das Erkennen keinen festen Halten und gleicht einem Siemenslufthaken, und ist also Fiktion.

  36. Umgekehrt kann man die Dinge nur nach den Letztgründen erkennen, denn alles strebt nach einem Ziel, ohne das es nicht existieren würde.

  37. Das Dasein der Dinge erklärt nicht ihr Sosein.

  38. Die Technik korrumpiert das Erkennen, denn es ist bloßes Mittel und hat einzig und allein im Menschen ihr Maß. Was aber nicht Technik ist, das hat sein eigenes Ziel und übersteigt jeglichen Bezug als Mittel.

  39. Der Gebrauch der Technik enthält genug Evidenz um zu behaupten, daß der Mensch nicht nur Ziele hat, sondern sie auch erkennt.

  40. Gegenstände, die der Mensch hergestellt hat, taugen nicht dazu, anhand ihrer etwas zu erklären, da sie immer transparent sind für den Geist. Dagegen sind Dinge, die der Mensch nicht hergestellt hat, sondern vorfindet, nie völlig transparent für den Geist und enthalten mehr Geheimnis als Verständnis.

  41. Das Experiment ist eine schwerwiegende Sünde gegen die Natur, denn sie macht aus der Natur ein technisches Ding, über das der Mensch verfügen kann. Im Experiment gibt sich der Mensch der Illusion hin, die Natur zu beherrschen.

  42. Das Experiment scheitert immer dann, wenn der Mensch es nicht kontrollieren kann, d.h. bei allen Dingen, die wirklich interessant sind.

  43. Da der moderne Szientist nicht erklären kann, was das Gewissen ist, leugnet er die Existenz des Gewissens.

  44. Kategorien sind nichts nüchternes. Die Welt des Geistes betritt der Mensch durch eine Fülle von existenziellen Kategorien. Ein Mensch ohne Liebeskummer wird niemals das Wesen des Kummers noch der Liebe verstehen.

  45. Die Konstruktion der Welt ist ein Irrtum. Der Mensch entfaltet die Fähigkeit, die Wirklichkeit zu erkennen, aber er erschafft sie nicht.

  46. Die moderne Geistesart ist abartig, da sie alles unter die Herrschaft des Menschen stellt und die Illusion erzeugt, die Welt sei nichts anderes als ein Stück Technik, dessen Mechanik der Mensch kontrollieren, warten und verbessern könnte.

  47. Erkennen ist die Kartographie des Geistes.

  48. Im Verstehen gibt es keine Abkürzungen. Gedankengänge sind erst dann gültig, wenn sie zuende gedacht wurden, und nicht wenn sie in Sackgassen münden, die man nicht kennt, weil man zu schlecht zu Fuß ist.

  49. Jeder Versuch über die Erkenntnis ist schlecht, der nur die Wahrheit erklärt, nicht aber die Irrtümer.

  50. Der Verstand neigt dazu, sich selbst zu lähmen, weil er an sich selbst glaubt. So erscheint es einem vernünftigen Menschen unsinnig mit Tieren zu reden, was jeder verständige Mensch aber tut. In Wahrheit vertiert der Mensch, wenn er angesichts des Stummen selbst verstummt. Die Sprache der Tiere ist subtil und der Mensch, der sie nicht spricht, versteht die Tiere nicht.

  51. Die Audio- und Videotechnik verleitet den Menschen, den Abdruck der Wirklichkeit mit der Wirklichkeit zu verwechseln.

  52. Es gibt subtile Kategorienfehler. Der moderne Mensch preist das Smartphone an und verschmäht die Kartoffel, obwohl die Kartoffel wachsen kann, was ein Wunder in sich ist. Wer blind ist für das Lebendige, der wird auch nie in der Erkenntnis Fortschritte machen.

  53. Der moderne Mensch kann nicht singen, weil er die innere Stimme nicht kennt. Einem Instrument eine Melodie abzuringen ist ein größerer Akt, als einen Computer zu erfinden.

  54. Der Unterschied zwischen Beobachtung und Betrachten besteht darin, daß die Beobachtung weder empathisch noch sinnlich ist, während das Betrachten den Geist mit sich fortreißt.

  55. Vergötzung der Augen und Vergötzung der Ohren. Einen Kuß nimmt man mit den Lippen wahr.

  56. Im Kuß verschmilzt der Lebensatem zweier. Die Lippen nehmen wahr, aber nicht die Lippen des anderen, sondern dessen Herz.

  57. Man widmet den vermeintlich großen Fragen zu viel Aufmerksamkeit. Das Große findet man nur im kleinen: den Gesten, den Blicken, den Ausrufen. Es gibt mehr Arten des Stöhnens als Atommodelle.

  58. Die Kantsche Kategorientafel mißversteht die erste Seligpreisung über die Armut des Geistes. Damit der Mensch die wesentlichen Dinge erkennt, braucht er weder Zeit noch Raum, sondern Ewigkeit.

  59. Notwendigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit sind keine Erkenntnisgründe. Nur was existiert, das kann ich erkennen. Daß ich ein rundes Dreieck unmöglich erkennen kann, ist eine absurde Aussage, die sich nur ein von der Wirklichkeit emanzipierter Geist ausdenken kann. So wie es keine Erkenntnis von einem runden Dreieck gibt, so gibt es auch keine Unkenntnis von einem runden Dreieck.

  60. Gestelzte, geschleifte, glatte Worte sind Kennzeichen eines Blenders. Wahres Verstehen mündete immer im Stammeln und verstummt schließlich ganz.

  61. Wie wichtig die metaphysische Grundlage des Erkennens ist, erkennt man an der Negation. Die allermeisten verwechseln das Nichts mit einem Objekt, so als hätte es die Eigenschaft, keine Eigenschaften zu haben.

  62. Solche meinen auch, das sogenannte Vakuum wäre ein leerer Raum. Diese Dummheit verdanken wir Newton, was seiner Zurechnungsfähigkeit nicht zuträglich ist.

  63. Die Musik, also wenn man sie spielt und nur dann, ist ein wunderbares Propädeutikum des Erkennens, denn nur die Wiederholung führt in die Tiefe. Wer das Vaterunser nicht zehntausendmal gebetet hat, der hat es nicht verstanden.

  64. Die Idee des Vakuums beruht auf dem Irrtum des Empirismus, daß nur das existiert, was man sinnlich wahrnehmen kann.

  65. Ein anderer Irrtum des Empirismus ist, daß Instrumente Dinge, die der Wahrnehmung nicht zugänglich sind, vermitteln kann. Was sie vermitteln ist nicht das Ding, sondern die Wechselwirkung des Dinges mit dem Instrument.

  66. Erkennen ohne Metaphysik ist wertlos, da die Wahrheit das Erkannte mit dem zu Erkennenden verbindet. Ohne Wahrheit kein Erkennen.

  67. Das Mißverstehen ist ein Abschnitt der Metaphysik der Lüge.

  68. Insofern das Erkennen unter die Bedingungen der funktionalistischen Theorie gebracht wird, kann nie eine Sache korrekt erfaßt werden. Die Tatsache, daß Lügen in begrenztem Umfang funktioniert, sollte stutzig machen.

  69. Um eine Lüge zu entlarven, muß die Wahrheit gewußt werden.

  70. So wie es Halbwahrheiten gibt, so gibt es auch Halberkenntnisse.

  71. Die Halbheiten erfordern gedankliches Geschick, da die volle Wahrheit das Ganze einer Sache überschreitet. Die Sache ist nie in sich schlüssig.

  72. Da die Dinge nie neutral sind, beginnt alles Erkennen mit der Ordnung des Gutens.

  73. Das primäre Movens der Erkenntnis ist die Ungerechtigkeit. Sie macht uns innerlich betroffen und empfänglich für die Wirklichkeit, wie sie sein sollte.

  74. Der Humesche Scheinfehlschluß von Sein und Sollen verwirrt den Geist. Sein und Sollen sind im Wesen geeint. Bonum et ens convertuntur.

  75. Gott sagte, es war gut. - Das Sein hat eine moralische Qualität aus der die Logik dessen Sollens entspringt.

  76. Das Handeln ist nur in analoger bzw. abgeleiteter Form von moralischer Qualität. Das Böse widerspricht dem Wesen des Menschen und das Gute entspricht dem Wesen des Menschen.

  77. Die Ethik kann nie axiomatisch sein. Wesen sind keine Axiome.

  78. Die Deontologie vergiftet die Moral so wie das Schuldgeldsystem das Geld.

  79. Der Mensch erkennt das Böse leichter als das Gute, da das Böse durch den Menschen in die Welt kommt, das Gute aber durch Gott.

  80. Die Erkenntnis der Seele ist die notwendige Voraussetzung, um die Dinge zu erfassen. Nur im Licht der Seele können die vitalen Werte richtig verstanden werden. Deshalb spricht Ignatius von der Indifferenz. Die Krankheit ist ohne die Seele immer ein Unwert und völlig mißverstanden.

  81. Menschen, die die Blutsverwandtschaft durch die genbasierte Verwandtschaft ersetzen wollen, verstehen nicht, daß Leben und Information nichts miteinander zu schaffen haben.

  82. Die Evolutionstheorie nimmt fälschlich an, daß Bios und Logos das gleiche Ziel haben.

  83. Das Überleben der Art ist ein Soziologismus. Das Kollektiv wird über das Individuum gestellt.

  84. Daß der Mensch den Tod nicht betrachtet, ist nur möglich, weil er nicht mehr mit Pflanzen und Tieren lebt. Der Jahreskreis ist eben ein Kreis aus Sterben und Gebären. Der Mensch nimmt den Winter nicht mehr wahr.

  85. So wie die Mutter die Bedürfnisse des Säuglings erkennt, so der Bauer die Bedürfnisse des Tieres. Tierärzte sind der deutlichste Beweis, daß der Mensch die Tiere versteht.

  86. Die Werbung hat die Sprache so sehr inflationiert, daß sinnvolle Gespräche nur schwer zu ergattern sind.

  87. Durch die Verhütung haben die Menschen die Fortpflanzung mechanisiert, weil sie sich vor dem Organischen ekeln.

  88. Gotische Kathedralen erschreckenden den Menschen, denn sie haben ihre Kritiker überlebt.

  89. Das Häßliche ist unkenntlich. Das Schöne ist klar. Deshalb fehlen uns die Worte für das Böse und für das Gute reichen sie nicht aus.

  90. Propabilismus hat die heilsame Dimension, daß sie die Fehler Newtons heilt. Andererseits stürzen sich die Empiriker in noch dürftigere Gedankenströme.

  91. Der Übergang von Häufigkeit zu Wahrscheinlichkeit ist eine Sache von Menschen ohne Lebenserfahrung.

  92. Wer meint, Wunder könnten durch "die Wissenschaft" widerlegt werden, der hat weder Ahnung von Wundern noch von Wissenschaft. Wunder sind außerhalb der Definitionsmenge.

  93. Der Wille gehört zu den stets ausgeklammerten Bereichen der Wirklichkeit, da die Spannung zwischen der Bewegung durch den Willen und dem Willen, der bewegt wird, nicht aufgelöst werden kann. Nur Leibniz verstand es, beides zu einen.

  94. Das Gesetz hat keine Rechtskraft durch die Rechtssetzung, sondern allein durch die innere Bindung des Gewissens oder durch die Androhung von Gewalt.

  95. "Alle Herrschaft geht vom Volke aus." - Solche Sätze können nur von seelisch Blinden gebraucht werden. Wer meint, daß das Volk herrsche, der meint auch, daß das ganze Volk in einen Beichtstuhl paßt.

  96. Der Kollektivismus ist so stumpf, weil die elementaren Regungen der Seele nicht delegierbar sind. Böse Gedanken steigen nur aus dem Herzen des Einzelnen auf. Das Kollektiv hat kein Herz.

  97. Die Gemeinschaft hat nur in dem Sinne ein Herz, alsdarin alle Herzen ihrer Glieder geeint sind. Einigkeit ist das Prinzip der Gemeinschaft, nicht der Pluralismus.

  98. Die Spezialisierung hängt dem Irrtum an, daß die größere Anpassung besser wäre. Der einfache Mensch braucht nur wenige Dinge und kann damit alles tun. Der Spezialist braucht ein ganzes Kaufhaus und kriegt dennoch weniger zustande.

  99. Ungelesene Bücher fügen dem Wissen nichts hinzu. Manche Bücher verringern jedoch das Wissen. Und nur einige wenige Bücher enthalten überhaupt Wissen. Das meiste ist irrelevante Meinung.

  100. Leuten, die gegenüber elementaren Erkenntnissen blind sind, die Grundkenntnisse zu lehren, bleibt ebenso erfolglos wie einem von Geburt an Blinden die Komplementärfarben zu erklären. Der Blinde erkennt nicht nur die Farben nicht, sondern er kann auch nichts mit Veroneses Hochzeit zu Kana anfangen.

  101. Der unbewegte Beweger ist eine sehr tiefe Einsicht, wenn man ihn als Typus sieht: Das Gute treibt zum Guten an, ohne selbst angetrieben zu sein. Ebenso so das Schöne, das Wahre und das Eine.

  102. Die Ordnung der Sinne wird durch die Liebe invertiert. Sehen ist nichts, Berühren alles.

  103. Die Paläontologie der Spirituosen hat ergeben, daß Scotch und Sagrotan den gleichen Vorfahren hatten.

  104. Es gibt einen Typus Mensch, der den Unterschied zwischen Grad und Wesen nicht versteht. Gemäß dem Beweis durch Anekdote haben solche auch keinen Humor.

  105. Der spielende Mensch ist stets den anderen voraus, da er weiß, wie er mit ihnen spielen kann. Während der Spieler seine Trümpfe kennt und sie nur ausspielen braucht, um zu gewinnen, bricht sein Gegner immer die Spielregeln.

  106. Die ausgeprägsten Erkenntnisfähigkeiten haben die Studenten, die ihre Einführungskurse in der Kneipe verbracht haben: Bier, Karten und Tabak tragen mehr zur Propädeutik bei als jedes Lehrbuch.

  107. Beim Skat wird tiefsinniger diskutiert als bei Symposien.

  108. Die höheren leiblichen Laster beschäftigen den Körper, damit er den Geist nicht bei seiner Arbeit stört.

  109. "Je pense donc je suis." Der Akt des Denkens setzt ein Subjekt voraus, das denkt. Beweis durch Widerspruch: Man kann nicht denken, daß man nicht denkt. "Je ne pense pas." ist ein unmöglicher Gedanke.

  110. Mit dem Beweis der Existenz des Subjekts, das denkt, wird der Satz vom Widerspruch anerkannt.

  111. Das Subjekt denkt nicht nur, sondern es denkt immer etwas. Das Denken hat einen Inhalt.

  112. Der Inhalt des Denkens ist vom Subjekt, das denkt verschieden. Das Subjekt denkt nicht sich. Selbst wenn das Subjekt sich selbst zum Inhalt seines Denkens macht, so ist der Denkende und das Gedachte von einander geschieden.

  113. Damit das Denken einen Inhalt hat, d.h. ein Objekt, muß es Objekte geben, die der Denkende denkt.

  114. Damit Objekte gedacht werden können, müssen sie denkbar sein.

  115. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie Objekte gedacht werden können: Sie sind im Denkenden schon gegeben, sodaß er sie aus sich heraus denkt, oder sie werden an den Denkenden herangetragen.

  116. Wie ein Objekt im Denkenden gegeben ist, ist ein Rätsel. Wie kann der Denkende etwas von ihm verschiedenes Denken, wenn er nur sich kennt?

  117. Gleichsam kann der Denkenden nur ein Objekt denken, wenn er weiß, was Verschiedenheit ist. Sonst könnte er nichts Verschiedenes denken, also auch kein Objekt, das vom Denkenden verschieden ist.

  118. Das Denken von Objekten kann niemals vom Subjekt, dem Denkenden, alleine stammen, da die Verschiedenheit aus dem Denkenden selbst nicht hervorgehen kann.

  119. Die Verschiedenheit allein nützt nichts, weil sie für sich genommen nur aussagt, was etwas nicht ist und nicht was es ist. Um ein Objekt zu denken, muß es mehr als die Verschiedenheit geben, um eine Aussage über das Objekt zu enthalten.

  120. Descartes schrieb die Möglichkeit der Täuschung im Denken von Objekten einem bösen Gott zu. Ein Denken kann also hinsichtlich der Wahrheit eines Objektes irren.

  121. Die Möglichkeit des Irrtums setzt die Wahrheit einer Sache voraus. Beweis durch Widerspruch: Ohne die Wahrheit einer Sache gibt es keine Möglichkeit zwischen Irrtum und Wahrheit zu unterscheiden.

  122. Der Denkende muß fähig sein, getäuscht zu werden.

  123. Um zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden, muß die Wahrheit erkennbar sein. Widerlegung des Agnostizismus.

  124. Die Wahrheit einer Sache muß unabhängig vom Denkenden sein. Beweis durch Widerspruch: Wenn die Wahrheit ihren Ursprung im Subjekt hat, dann enthält das Urteil das Objekt nicht. Das Subjekt irrt nicht über sich, sondern über das Objekt, und so ist es auch mit der Wahrheit.

  125. Da das Objekt weder vom Subjekt hervorgebracht wird noch die Wahrheit des Objektes vom Subjekt abhängt, muß das Objekt außerhalb des Denkenden existieren.

  126. Da das Objekt außerhalb des Denkenden existiert, gibt es keine direkte Verbindung zwischen dem Denkenden und dem Gedachten. Alles Gedachte ist auf irgendeine Weise mit dem Denkenden verbunden.

  127. Weil das Objekt außerhalb des Denkenden existiert, ist das Objekt an sich mit dem Gedachten nicht identisch. Beweis durch Widerspruch: Wäre das Objekt mit dem Gedachten identisch, dann wäre der Irrtum nicht möglich.

  128. Das Gedachte und das Objekt stehen in irgendeiner Verbindung. Beweis durch Widerspruch: Ohne Verbindung von Gedachtem und Objekt wäre weder ein Urteil über Irrtum und Wahrheit möglich.

  129. Das Objekt kann nur gedacht werden, wenn eine Verbindung zwischen Objekt und Gedachtem besteht.

  130. Die Verbindung zwischen Objekt und Gedachtem erfordert, daß das Objekt Inhalt des Denkens werden kann und daß das Denken fähig ist, das Objekt zu denken. Das Objekt teilt sich auf irgendeine Weise dem Denken mit.

  131. Das Denken ist aufnahmefähig, um das Objekt ins Gedachte zu überführen.

  132. Das Denken kann nicht aus sich heraus das Objekt ins Gedachte überführen, da es eine Verbindung benötigt, die nicht vom Denken ausgehen kann.

  133. Das Denken und die Verbindung sind im Ich geeint. Beweis durch Widerspruch: Wäre die Verbindung nicht im Ich (im Sinne des Argumentes) geeint, so würde das Objekt nicht mit dem Subjekt verbunden werden. Die Verbindung hängt vom Subjekt notwendig ab. Damit ich denken kann, muß ich verbunden sein mit dem Objekt.

  134. Ich und Denken sind nicht identisch.

  135. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Denken und dem Erfassen. Der Gedanke hat eine sprachliche Seite, indem er benennt, was er denkt. Das Erfassen geht tiefer und ist ursprünglicher, denn es kommt ohne Worte aus. Den Beweis hierfür kennt jeder aus seinem eigenen Erfassen und aus dem Werk des Dichters. Der Dichter versucht etwas auszudrücken, was sein Denken übersteigt, wohl aber nicht sein Erfassen.

  136. Descartes' Argument ist eben schon Argument, folgerndes Denken. Die Wahrheit, die er ausdrückt, ist wahr völlig unabhängig von jeder Schlußfolgerung.

  137. Wer des Erfassens mächtig ist, der braucht keine Schlußfolgerungen.

  138. Unter dieser Perspektive greift der Gedankengang von Descartes schon viel zu kurz, weil er eben ein Gedankengang ist und nicht vom Erfassen ausgeht.

  139. Die Logik des Arguments von Descartes neigt zu einer falschen Schlußfolgerung: Weil ich denke, bin ich. Es ist eine völlige Verzerrung der Wahrheit, einer solchen Schlußfolgerung zuzustimmen. Weil ich bin, denke ich. Nimm das Sein des Ichs weg und was bleibt übrig?

  140. Schlüsse sind immer zerbrechlich. Man kann aus Schlüssen alles mögliche schließen ohne zu verstehen, was man da eigentlich geschlossen hat. Damit der Schluß erfaßt wird, muß er genau so erfaßt werden wie der Ober- und der Untersatz.

  141. Da das Erfassen das Denken übersteigt, muß das Erfassen dem Denken vorausgehen.

  142. Es ist daraus ersichtlich, warum es falsch ist, eine Erkenntnistheorie vom Denken her zu entwickeln. Das Denken ist immer kleiner als das Erfassen und damit kleiner als das Objekt, was erfaßt wird.

  143. Aus diesem Grund ist Satz 114 unvollständig. Das Objekt muß denkbar sein, um gedacht zu werden, aber es muß nicht denkbar sein, um erfaßt zu werden.

  144. Die Erfaßbarkeit eines Objektes im Subjekt ist ein Paradox.

  145. Das Subjekt kann das Objekt nur erfassen, wenn es selbst die nötigen Voraussetzungen in sich trägt, das Objekt zu erfassen. Wie will man aber etwas erfassen, was dem Subjekt selbst unbekannt ist? Was das Subjekt nicht kennt, liegt außerhalb seines Erfassens.

  146. Die Erfaßbarkeit ist also eine Sache des Subjekts. Aber woher hat das Subjekt seine Erfaßbarkeit? Der Satz anima est quodammodo omnia hat eine unbestechliche Evidenz.

  147. Es wird nun behauptet, daß das Subjekt die Fähigkeit hat, das Unbekannte kennenzulernen. Das ist eine merkwürdige Behauptung. Der Übergang vom Unbekanntem zum Bekannten ist schleierhaft. Damit etwas Unbekanntes erkannt werden kann, muß es in irgendeiner Weise dem Subjekt schon bekannt sein, d.h. in seiner Erfaßbarkeit im Subjekt vorliegen. Es gibt keinen einzigen Grund, warum das Fremde für das Subjekt aufhören sollte, fremd zu sein.

  148. Deshalb hatte die anamnesis des Platon so eine überwältigende Evidenz.

  149. Die Philosophie der Neuzeit hat die anamnesis verworfen, weil sie den Mythos, in den diese Wahrheit gekleidet war, ablehnte. Doch die Verwerfung des Mythos und die Verwerfung der anamnesis sind nicht identisch.

  150. Der kleine Geist zeigt sich daran, daß er die Wahrheit nicht des Mythos entkleiden kann, ohne die Wahrheit mit ihm verschwinden zu lassen.

  151. Die alternative Ansicht, daß das Subjekt fähig ist, ein Objekt intuitiv zu erfassen, ist keine Alternative, sondern wurzelt eben in der anamnesis. Die Behauptung der Intuition hat keinerlei Evidenz ohne die anamnesis.

  152. Die Erfaßbarkeit, die das Subjekt hat, also also quodammodo omnia, ist vom Subjekt her unerklärlich. Subjekt und alles sind Widersprüche.

  153. Die Erfaßbarkeit des Subjekts von Verschiedenem kann unmöglich aus dem Subjekt hervorgehen.

  154. Die Erfaßbarkeit setzt nicht nur voraus, daß es eine Welt gibt, in der es Objekte gibt, die vom Subjekt verschieden, nicht nur, daß diese Welt in irgendeiner Weise schon im Subjekt gegeben ist, damit das Subjekt diese Objekte erfassen kann, sondern auch, daß dem Subjekt etwas vorausgeht, daß diese Welt in ihm begründet und nicht selbst Subjekt ist.

  155. Die Annahme des Mythos, daß die Seele existierte, bevor sie im Subjekt zur Welt kam und dort alles geschaut hat, ist nicht zwingend. Man könnte auch andere Mythen annehmen. Doch stets wäre es ein Mythos.

  156. Eine ähnliche Beziehung liegt in der Vernunft vor, die ihren Ursprung gleichsam unmöglich im Subjekt haben kann. Der Beweis ist leichter, da die Vernunft von allen vernunftbegabten Wesen gebraucht werden kann, und deshalb niemals von einem Subjekt hervorgehen kann.

  157. Sobald das Subjekt die Vernunft gebraucht, kann es niemals alleine sein.

  158. Wie die Vernunft in das Subjekt kommt, ist völlig unklar. Daß die Vernunft in das Subjekt gekommen ist, steht dagegen außer Frage.

  159. Der Rationalismus hat sich zu sehr auf das Thema der Vernunft beschränkt. Das Subjekt gebraucht die Vernunft, aber es gebraucht nicht nur die Vernunft, sondern viel mehr. Auch das Erfassen übersteigt die Vernunft.

  160. Der Rationalismus scheitert völlig am Willen des Menschen. Warum entscheidet sich dieser Mann, diese Frau zu heiraten und nicht eine andere?

  161. Eine Entscheidung zu rationalisieren, hat etwas ausgesprochen merkwürdiges an sich. Es ist die Suche nach Gründen mit der Vernunft, aus der die Gründe nicht herkommen.

  162. Rationalisierte Entscheidungen sind per se falsch, denn es sind stets falsche Schlüsse. Genauer: Die Entscheidungen gründen nicht auf Schlüssen. Wer Schlüsse findet, wo keine sind, der irrt.

  163. Die Überzeugung des Rationalismus scheitert übrigens an der Beobachtung der Kleinkinder, die keiner Vernunft bedürfen, um zu handeln. Ihr Zugang zu den Dingen ist vor der Vernunft.

  164. Für gewöhnlich werden Tiere nicht als vernunftbegabt betrachtet. Dennoch können sie giftige Nahrung meiden, d.h. also zwischen wahr und falsch auf einer niedrigeren Ebene unterscheiden. Ohne Wahrheitsfähigkeit gibt es keine Unterscheidung.

  165. Die Wahrheit geht der Vernunft voraus.

  166. Die Wahrheit wird erfaßt, nicht begriffen.

  167. Der Satz veritas est adaequatio rei et intellectus ist insofern falsch, als man den Intellekt mit der Vernunft gleichsetzt.

  168. Die Beschränkung der Welt auf die bloß stofflichen Dinge ist so lächerlich, daß eine Widerlegung des Materialismus nicht nötig ist.

  169. Der Materialist hat es akzeptiert, an Lügen zu glauben. Das macht ihn gefährlich wie unsympathisch.

  170. Für die, die schwer von Begriff sind: Das Denken selbst ist nicht stofflich. Wie kann der Mensch das Denken zum Objekt seines Denkens machen, wenn nur Stoffliches existiert? Der Materialismus mündet darin, daß er das Denken selbst leugnet, ja schlimmer, das Leugnen selbst leugnet, weil das Leugnen ebenfalls nicht stofflich ist.

  171. Im Erfassen erfaßt das Subjekt nicht das Objekt selbst, sondern ein Abbild des Objekts.

  172. Das Abbild ist immer geistig; sonst könnte es nicht vom Subjekt aufgenommen werden.

  173. Kant hat aus dem Abbild geschlossen, daß das Ding an sich nicht zugänglich ist, also nicht erfaßt werden kann, sondern eben nur das Abbild.

  174. Diese Lehre Kants ist absurd. Erstens, gilt das dann grundsätzlich und Kant war zu feige diese Konsequenz zu ziehen: Das Apriori an sich ist nicht zugänglich. Es gibt dabei eine Selbstreferenz, die sich selbst aufhebt. Der Satz ist also in sich widersprüchlich. - Zweitens, das Abbild hat seinen Ursprung nicht allein im Subjekt, sondern eben auch im Objekt. Das Abbild bildet ja das Objekt ab. Die Referenz zwischen Schein und Sein, wie Kant es meint, würde aufgehoben werden, wenn das Ding an sich nicht zugänglich wäre. Woher zum Teufel weiß Kant, daß das Abbild eine Abbildung von etwas ist?

  175. Die Referenz von Objekt und dessen Abbild wird gelöst durch den konkreten Verweis: dieses. Der Verweis geht nicht auf das geistige Abbild, sondern auf das Objekt selbst.

  176. Der Fehler Kants ist letztlich also folgender: Er referenziert alles so, als wäre es geistig, d.h. ein Abbild und nur im Geist gegeben. Alles ist "ein" Stein, "ein" Haus, "eine" Wolke. So referiert er auf etwas, was im Subjekt liegt. Doch wenn er richtig referenzieren würde, "dieser" Stein, "dieses" Haus, "diese" Wolke, so würde er auf ein Objekt außerhalb des Subjekts referenzieren. Diese Referenz aber ist nur möglich, wenn das Objekt dem Subjekt zugänglich ist.

  177. Es gibt Wahrheit. - Dieser Satz enthält genug Sprengstoff, um das Gebäude des handelsüblichen Denkens ins Wanken zu bringen. Immer geht von der Wahrheit der Hauch einer Welt aus, die die wahrgenommene Welt aus den Angeln hebt; der Hauch der Welt, die nicht sinnlich wahrnehmbar ist, aber die der Geist kennt.

  178. Nochmal: Es gibt Wahrheit, und eben darum keinen Materialismus. Es gibt Wahrheit, und eben darum den Geist. Denn die Wahrheit ist Geist.

  179. Nochmal: Es ist leichter an die Existenz von Engeln, d.h. reinen Geistern, zu glauben, als an den Materialismus.

  180. Die Engellehre ist sehr bedeutsam für das Erkennen, denn reine Geister können nicht gedacht und nicht erkannt werden.

  181. Alles Geistige ist vermittelt durch etwas, daß es dem Erkennenden ermöglicht, es zu erkennen.

  182. Es mag leichter sein, den Idealismus zu glauben als den Materialismus, und doch sind beide gleichermaßen im Irrtum. Reine Geister sind für das Erkennen genauso unsichtbar wie für die Sinne.

  183. Reine Geister müssen offenbart werden, um erkannt zu werden.

  184. Der gesamte Kantsche Irrtum beruht darauf, daß das, was am Ding erkannt wird, die Erscheinung (phainoumenon) und die Vorstellung (noumenon), von jeglicher Materie unabhängig gehalten wird. Zwar ist das Erkennen des Objekts etwas Geistiges, aber das Geistige selbst wird nicht einem rein geistigen Ding, dem Gedächtnis, eingeprägt und bewahrt. Das Erkennen hat als Voraussetzung ja die Empfänglichkeit und nur etwas, wohinein etwas empfangen wird, d.h. was formbar ist, kann das Erkennen ermöglichen.

  185. Reine Verstandesbegriffe sind ein Widerspruch in sich. Der reine Verstand hat keine Begriffe, in die er sich einprägt.

  186. Der Kantsche Irrtum beruht auf dem Cartesischen Irrtum, daß alles Materielle ausgedehnt ist und daß alles Geistige unausgedehnt ist.

  187. Bultmann sagte, man könne nicht elektrischen Strom benutzen und gleichzeitig an die Geisterwelt des Neuen Testaments glauben. Dagegen richtig ist, daß man nicht einen Kompaß benutzen kann und gleichzeitig an den Materialismus glauben.

  188. Das Geistige ist also ausgedehnt. Non sequitur!

  189. Es weitet den Verstand ungemein, wenn man beachtet, daß die Materie des Beichtsakraments die Reue ist. - Und das obwohl diese Aussage außerhalb des Hylemorphismus liegt.

  190. Satz 189 ist übertrieben. Es ist nur ungewohnt. Doch das gleiche liegt vor, wenn man an das ungesatzte Recht denkt und an die Gerechtigkeit.

  191. Die Menge der unsichtbaren Dinge übersteigt die Menge der sichtbaren Dinge um ein Vielfaches.

  192. Das Recht gilt, unabhängig davon, ob es gesatzt ist oder nicht.

  193. Gerechtigkeit benötigt nicht denjenigen, der feststellt, daß sie existiert, um zu existieren.

  194. Worte wirken. Jedoch wirken sie nicht, weil sie ein leibliches Korrelat haben, d.h. den flatus voci, die bewegte Luft des Schalls, sondern dadurch, was die Worte bezeichnen. Das leibliche Korrelat vermittelt bloß.

  195. Die ganze Computertheorie des Geistes fällt in sich zusammen, wenn man bedenkt, daß es nicht das Zeichen (significans) ist, was wirkt, sondern das, was das Zeichen bezeichnet (significatum).

  196. Im Materialismus gibt es keine Zeichen.

  197. Der Begriff des Schauens hat im Erkennen nur insofern eine Bedeutung, als er analog gebraucht wird. Die Schau des Unsichtbaren trägt einen größeren Reichtum in sich als alles Sichtbare.

  198. Die Morphologie der linguistischen Atome ist völlig uninteressant. Die Sprache ist nie die Summe ihrer Teile, sondern die organische Gemeinschaft des Ganzen.

  199. Die Würde der Sprache zeigt sich nicht in der sichtbaren Grammatik, die bloß eine Beschreibung schlechten Gebrauchs darstellt, sondern in der unsichtbaren Grammatik des Dichters, der den Klang und den Rhythmus und den Ort eines Wortes spürt.

  200. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Sprache und Erkennen, gerade wenn man auf die Grammatik schaut. Der moderne Philosoph denkt sich das Denken als ein Ausfluß einer Grammatik.

  201. Die Schwierigkeit des Erkennenden besteht nicht nur darin, die Wahrheitsfähigkeit auf den Inhalt des Denkens anzuwenden, sondern auch auf das Erkennen selbst. Wie die optische Täuschung das Auge verführt, so auch das Erkennen hinsichtlich seiner Gewißheit.

  202. "Noluit ut bene ageret." - So heißt es in der Schrift und so ist es wahr.

  203. Die Täuschung des Erkennens liegt in der verschweigsamen Vortäuschung, daß das Erkennen nicht vom Subjekt abhängen würde.

  204. Kant sprach von der Einheit der Synthesis der Apperzeption und der Einheit der Synthesis der Apprehension. Für sich genommen haben diese Sätze etwas Wahres an sich. Doch in seinem Apriorismus gefangen fällt er in die Grube, die er selbst gegraben hat.

  205. Weder die Apperzeption noch die Apprehension sind vom Subjekt unabhängig. Ist das Subjekt verkrümmt, dann auch die Apperzeption und die Apprehension.

  206. Es genügt ein Witz, bei dem einer lacht, der andere nicht, weil er ihn nicht versteht, um dieses absurde Dogma zu widerlegen.

  207. Eine zweite Evidenz findet sich in der Ironie, zu der manche gänzlich unfähig sind.

  208. Übrigens liegt auch Hegel damit falsch, das Objekt durch die Negation zu isolieren, um es zu verallgemeinern. Weder wird ein Objekt im Erkennen negiert noch wird es verallgemeinert. Die rechte Erkenntnis besteht darin, das Objekt so zu erkennen, wie es ist, d.h. mit all seinen Bezügen, der Ordnung, in der es steht, mit seiner Bedeutung.

  209. Weder Verallgemeinerung noch Negation enthalten eine Bedeutung.

  210. Die Verallgemeinerung ist schlimmer als die Negation, da die Negation scharfe Grenzen hat, die Verallgemeinerung dagegen unscharfe.

  211. Auch die Meinung, der Mensch würde Begriffe bilden, sei es durch Verallgemeinerung oder sonst was, ist falsch. Wahr ist, daß der Mensch nach Begriffen sucht, die das ausdrücken, was sein Erkennen erfaßt hat. Begriffe werden mit dem Erkannten verglichen wie Puzzleteile.

  212. Die Höhe der Erkenntnis liegt nicht in der Weite der Begriffe, sondern in der Enge der Begriffe. Je schärfer, desto besser paßt das Puzzlestück zusammen.

  213. Beschreiben und Benennen sind grundverschiedene Tätigkeiten. Das Beschreiben ist immer peripher, das Benennen ist exakt.

  214. "Der rote Sportwagen mit Keramikbremsen, Heckmotor und Chromfelgen fuhr schnell über die Autobahn." - Dagegen: "Der Ferrari sauste über die A3."

  215. Die Beschreibung ist immer atomistisch, lose, unverbunden, wandelbar und akzidentell. Die Benennung ist ganz, organisch, einzigartig und wesentlich.

  216. Die platonische Anamnesis wird insofern falsch verstanden, als die Schau der Ideen solche Ideen meint, die eigentlich Begriffe sind und gar keine Substanzen.

  217. Die Fähigkeit, einen Gedanken korrekt zu denken, hängt davon ab, das Erkannte sprachmächtig auszudrücken. Je ärmer die Sprache, desto ärmer der Gedanke.

  218. Die Sprache ist keine natürliche Ausstattung des Menschen, sondern ein gelernter Reichtum. Angeboren sind jene Substanzen, die dem Subjekt das Erkennen erst ermöglichen.

  219. Es gibt eine Entsprechung zwischen dem verwirrten Inhalt Hegels und dessen verwirrter Sprache.

  220. Der moderne Mensch nimmt das schlechte Deutsch, das ihn umgibt und von ihm ausgeht, nicht einmal wahr.

  221. Satz 219 lautet eigentlich: Der verwirrte Inhalt Hegels entspricht dessen verwirrter Sprache.

  222. Die Philosophie neigt zu schlechtem Deutsch und die Amtsstuben neigen zu schlechter Philosophie.

  223. Satz 222 offenbart den uneigentlichen Sprachgebrauch. Korrekt heißt er: Der Philosoph neigt zu schlechtem Deutsch und die Beamten neigen zu schlechter Philosophie.

  224. Oder heißt es: Ein Philosoph neigt zu schlechtem Deutsch und ein Beamter neigt zu schlechter Philosophie.

  225. Der hintere Satz ist richtig, der vordere falsch. Wie der Mensch doch von den Sitten seines Umfelds abhängt!

  226. Unsitte: Ein nominalisiertes Verb im Absolutus, d.h. ohne Artikel, zu benutzen. Das sind Nachläßigkeiten der Sprache.

  227. Den Grund haben wir nun erkannt: Man baut eine Art des unbestimmten Artikels für Wörter im Plural. Die Sprache ist voll von solchen Krebsgeschwüren.

  228. Richtig heißt es: Das ist eine Nachläßigkeit der Sprache.

  229. Klemperer hatte recht: Sprache, die für dich dichtet und denkt.

  230. Tucholsky hatte ebenfalls recht: Sprache ist eine Waffe.

  231. Ein verwirrter Sprachgebrauch führt zu verwirrten Gedanken.

  232. Alle analytischen Philosophen irren, insofern sie die formale Logik an den Anfang des Denkens setzen. Weder geht die Logik dem Denken voraus, noch faßt die Logik den Inhalt des Denkens.

  233. Die logischen Regeln haben den Mangel, daß sie eine konkrete Sache nicht referenzieren können.

  234. Die logische Aussage ist immer weniger als die Sache, die in der Aussage ausgesagt wird.

  235. Es gibt in der Logik keinen Wahrheitsbegriff.

  236. Die formalisierte Logik enthält keine Sachen, sondern lediglich Begriffe von Sachen. Es handelt sich nicht um eine adaequatio rei et intellectus, sondern etwas, das allein im Intellekt stattfindet.

  237. Eine mathematische Aussage, "2+2=4", ist nicht wahr im eigentlichen Sinn. Es ist wahr, daß zwei Äpfel und zwei Äpfel vier Äpfel ergeben. Aber drei Finger und zwei Finger ergeben noch keine Hand.

  238. Die vielen Äquivokationen in den zeitgenössischen philosophischen Diskussionen resultieren aus jenem Fehler. Fünf Finger und die Hand sind äquivok.

  239. Das mathematische Denken hat sehr viel Schaden angerichtet. Das Ganze ist anders als die Summe seiner Teile.

  240. Die Mathematik ignoriert diesen Satz und in ihrer Disziplin gibt es keinen Widerspruch.

  241. Die Ursache für dieses Übel liegt darin, daß nicht zwischen der distinctio rationis und der distinctio realis unterschieden wird.

  242. Die philosophische Begründung für den Satz "Das Ganze ist anders als die Summe seiner Teile." ist einfach: Eine Sache ist im Verstand unendlich teilbar und somit gibt es einen regressus in infinitum.

  243. Die Spaltung der Dinge, was etwas anderes als Teilen ist, kann aus technischen Gründen nicht unendlich gehen.

  244. Eine Substanz ist unteilbar. Spaltet man sie, so hört sie auf zu existieren.

  245. Es kann keine Ursubstanzen geben.

  246. Dafür gibt es zwei Begründungen: der Identitätssatz und die Einheit.

  247. Der Identitätssatz ist einfach, denn er besagt, daß die Summe der Teile und das Ganze identisch sind, was widerlegt wurde.

  248. Die Einheit ist schwieriger, aber sinniger, denn wenn mehr als eine Ursubstanz vorliegt, so können die Teile einer Sache niemals mit der Sache identisch sein. Wenn dann kann es nur eine Substanz geben.

  249. Zu sagen, es gibt nur eine Substanz, bedeutet, daß es eben nicht mehrere Substanzen gibt und damit weder Teile noch Ganzes.

  250. Wenn es keine Substanzen gibt, dann gibt es auch keine Wahrheit, denn niemand kann auf etwas referenzieren, was nicht mit sich identisch ist und nur im Verstand existiert.

  251. Das Erkennen von Sachen setzt voraus, daß es keine Wesenseigenschaften gibt.

  252. "Es ist wesentlich für einen Stuhl, daß er eine Sitzfläche hat." - Die Möglichkeit, sich auf den Stuhl zu setzen, ist keine Eigenschaft des Stuhles, sondern eine Möglichkeit, die im Sitzenden liegt. Der Stuhl hat in sich keine Möglichkeit (potentia), einen Hintern auf seine Sitzfläche zu bewegen.

  253. "Es ist wesentlich für eine Pflanze, Wurzeln auszubilden." - Die Wurzeln einer Pflanze sind nicht eine Eigenschaft von ihr, sondern sind verbunden mit dem Ganzen der Pflanze.

  254. Unter keinen Umständen beschreiben Eigenschaften das Wesen einer Sache. Alle Eigenschaften teilen im Verstand eine Sache von ihrer Ganzheit. "Wesenseigenschaften" verstoßen gegen den Satz "Das Ganze ist anders als die Summe seiner Teile."

  255. Die klassische Formulierung "Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile." kann derzeit nicht gebraucht werden, da zu viele Formallogiker und Mathematiker das Wort "mehr" nicht korrekt erfassen und es quantitativ, d.h. gemäß der distinctio rationis, verstehen.

  256. Der peinlichste Verstoß gegen diesen Satz kommt von Kant: Die Idee Gottes ist die Bedingung der Möglichkeit aller Prädikate.

  257. Im Sinne analytischer Urteile nach Kant gilt auch: Die Idee Gottes ist die Summe aller möglichen Prädikate.

  258. In gewisser Weise sind diese Sätze nicht einmal falsch, sondern einfach nur dumm. Alle Möglichkeit, whatsoever, hat ihren Ursprung in Gott.

  259. Die Idee Gottes, die Kant hat, hat nichts mit Gott zu tun.

  260. Für den gebildeten Theologen ist das völlig klar. Der Schluß vom Geschöpf auf den Schöpfer ist falsch; Lateran IV.

  261. Kant legt nur die Grenzen seines geistigen Horizonts frei.

  262. "Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind." - Ersteres Urteil klingt trivial, ist es aber nicht. "Ohne Inhalt" und "leer" sind selbst Negationen und insofern keine Prädikate, die die Wahrheit fassen. Der gleiche Fehler wie bei Hegel. Man kann nur ein Etwas verneinen. Eine Negation ohne Bezug zu einem Sein, das verneint wird, ist selbst ungültig. - Die Anwesenheit von Begriffen bei der Anschauung ist kein Kriterium für Blindheit oder für "Sicht". Der Erkennende kann auch mit Begriffen blind sein. Ansonsten besteht hier der gleiche Negationsirrtum.

  263. Kant ist so gefährlich, weil er solche Sätze bildet, die scheinbar logisch sind, sich aber bei näherer Betrachtung als Blüten entpuppen.

  264. Der Erkennende kann trotz falscher Begriffe eine Sache richtig erfassen.

  265. Das eigentlich Beschämende am Kantschen Denken ist seine Kategorientafel. Da ist so viel falsch.

  266. Tafel 1: Einheit, Vielheit, Allheit. - Der mathematische Irrtum springt einen an. Was er übrigens in der Anmerkung dazu sogar freimütig zugibt. - Und er widerspricht sich, wenn er von der Einheit der Synthesis wasauchimmer spricht. Hier bedient er sich des Parmenides, den er hätte besser studieren sollen.

  267. Tafel 2: Realität, Negation, Limitation. - Negation kann keine Kategorie sein. Limitation auch nicht, da alles, was von einem endlichen Geist erkannt wird, selbst endlich ist hinsichtlich der Erkennbarkeit.

  268. Tafel 3: erspare ich. - Hier hat nichts mit nichts zu tun.

  269. Tafel 4: Modalität. - Selten wurden solche Quatschverbindungen aus der Schublade hervorgeholt. Möglichkeit und Unmöglichkeit sind keine Kategorien. Unmöglichkeit ist ein formallogischer Begriff in der Form des Satzes vom Ausgeschlossenen Dritten. Möglichkeit, wie sie hier gebraucht wird, ist bloß die Negation der Unmöglichkeit und hat keinerlei Bedeutung, da es sich auf nichts bezieht. Gleiches gilt für die anderen Begriffe.

  270. Bemerkenswert ist der "Hegelsche Ausflug" in der zweiten Anmerkung. So nimmt Kant die Irrtümer Hegels vorweg: Dichotomie und Synthese.

  271. Es verwundert nicht, daß unter dieser Voraussetzung zwischen der Idee Gottes nach Kant und der Idee Gottes nach Hegel kaum ein Unterschied besteht. Hegel hatte nur die blumigeren Begriffe.

  272. Der Mensch sollte sowohl vorsichtig bei seinen Negationen wie bei seinen Begriffen überhaupt sein. Wie Kant die Einheit mit der numerischen Zahl 1 verwechselt, tut in der Seele weh. Noch mehr, daß es heute Allgemeingut ist.

  273. Die Negation ist eine Fähigkeit des Seienden allein.

  274. Die Negation einer Sache ist nur möglich, wenn die Sache erkannt worden ist.

  275. Im Grunde fällt der gesamte Idealismus zusammen, sobald dem Erkennenden auffällt, daß stasis und kinesis keine dialektischen Begriffe sind, d.h. die Negation der stasis ist nicht identisch mit der kinesis und die Negation der kinesis nicht mit der stasis.

  276. Hätten die Idealisten Maximus Confessor gelesen, wären der Welt viele Irrtümer erspart geblieben - z.B. der dialektische Materialismus.

  277. "Absolute Wahrheit" - nichts ist evidenter und zeugt mehr von der Existenz Gottes, als daß es eine Wahrheit gibt, die unabhängig vom menschlichen Erkennen ist.

  278. Ebenso evident, daß es ohne absolute Wahrheit gar keine Form des menschlichen Erkennens geben kann.

  279. Der Irrtum ist die Abkehr von der Wahrheit. Wenn es aber keine Wahrheit gibt, dann auch kein Irrtum.

  280. Die modernen Irrlehrer kriegt man dran, nicht indem sie "ihre Wahrheit" erklären sollen, sondern indem sie den Irrtum erklären sollen. Es ist keine einzige moderne Theorie bekannt, die den Irrtum erklären kann.

  281. Kann der Erkennende Unausgedehntes erkennen? - Die Gegenfrage erhellt mehr: Kann der Erkennende Ausgedehntes erkennen?

  282. Niemand erkennt Ausgedehntes als ausgedehntes, sondern unausgedehnt, d.h. als geistiges Abbild eines Ausgedehnten (non per essentiam, sed per speciem).

  283. Alles Erkannte ist geistig.

  284. Wie aber wird dann das Unausgedehnte erkannt? - Ja, indem es sinnenfällig wird, um ein geistiges Abbild zu erzeugen. - Aber wie soll das gehen, wenn es doch unausgedehnt ist? - Durch sinnenfällige Zeichen.

  285. Gefühle sind nicht sinnenfällig. Doch das Gefühl des Zorns kann erkannt werden, durch die Zeichen, die es bewirkt: hochroter Kopf, geballte Faust, ein verkrampftes Gesicht.

  286. Die Zeichen sind nicht identisch mit dem Gefühl, zeigen das Gefühl aber an.

  287. Allgemein gesprochen: Das Gefühl bewirkt ein Zeichen und das Gefühl erkennt man an den Wirkungen insgesamt und alles Unausgedehnte an seinen Wirkungen.

  288. Der Wille spielt in der Erkenntnis eine wichtige Rolle. Ohne ihn wüßte der Mensch nicht, was Hunger und Durst sind.

  289. Es hat einen tieferen Sinn, wenn Paulus über das Gesetz sagt, daß nur der es erkennt, der es auch übertretet. Die Sphäre des Willens wird erst sichtbar, wenn ihr Gewalt angetan wird.

  290. Ähnlich sagte C. S. Lewis, daß der beste Schuh ist, der nicht drückt. Der Mensch kennt nicht den besten Schuh, sondern nur jene Schuhe, die drücken. Ohne Druck kein Erkennen.

  291. Es fällt dem modernen Mensch schwer über den Willen nachzudenken. Seit Kant hat der Philosoph akzeptiert, Thesen und Antithesen aufzustellen, die weder schlüssig sind, noch im Widerstreite liegen. Das hat Auswirkungen auf den Willen.

  292. Dritte Antinomie: "Die Kausalität nach Gesetzen der Natur..." - Offenkundig, daß Kant weder weiß, was Kausalität bedeutet noch ein Naturgesetz. Hier liegen Physikalismen vor, die wie naive Dogmen vorausgesetzt werden, ohne daß ein Konzil sie vorher umgegraben hätte.

  293. Hätte Kant seine Kategorien im Griff gehabt, dann wäre dieser Irrtum erspart geblieben.

  294. Es gibt eine Berechtigung, Kant nicht einen Gelehrten zu nennen, sondern einen Ingeniuer des Geistes. Er denkt mechanistisch.

  295. Antithese: Es ist keine Freiheit. - Nein, das ist lächerlich.

  296. Das Versagen der Philosophen nach Kant besteht vor allem darin, daß ihn hier nicht festzunageln. Kant erklärt, wie der Widerstreit von These und Antithese entsteht: Kategorie + transzendentale Idee. Er gibt damit keine Aussage über These und Antithese ab, sondern eine wie der Widerstreit entsteht. Das ist aber nicht identisch.

  297. Es handelt sich um einen genetischen Fehlschluß: Der Versuch, eine Sache aus ihrer Genese heraus zu erklären.

  298. Es ist, als würde man den Beruf des Kindes aus dem Beruf der Eltern ableiten. Schließlich haben die Eltern das Kind ja gezeugt.

  299. Weil der Widerstreit mit den Thesen nicht identisch ist, handelt es sich bei der Erklärung Kants um einen Strohmann. Er müßte den Wahrheitsgehalt der Aussage beurteilen, nicht die Genese.

  300. Vierte Antinomie: Es gibt kein notwendiges Wesen. - Ergo: Es gibt nichts notwendiges. Ein solche Aussage ist ebenso absurd, wie "Es ist keine Freiheit". Hier sind wir wieder beim Kategorienfehler. Kant betrachtet die Notwendigkeit als ein Negation des Möglichen, hier als doppelte Negation des Unmöglichen.

  301. Die Kette ist logisch falsch! Was alles beim Denken schief gehen kann! Man kann nicht die Möglichkeit als Negation des Unmöglichen auffassen und wiederum die Notwendigkeit als Negation des Möglichen.

  302. Das Unmögliche ist die Negation des Möglichen; nicht umgekehrt.

  303. Beispiel: "Runde Dreiecke sind unmöglich." - Die Aussage falsch. Aber nicht, weil sie widersprüchlich ist, sondern weil hier ein Kategorienfehler vorliegt. Es handelt sich um eine falsche Attribution. Die Frage "Welche Farbe hat die Gerechtigkeit?" ist nicht falsch, sondern absurd.

  304. Das Mögliche ist ein metaphysischer Begriff und kein logischer.

  305. Die Logiker sitzen dem fatalen Irrtum auf, daß die Unmöglichkeit ein logischer Begriff ist.

  306. Man kann nicht von der Unmöglichkeit auf die Möglichkeit schließen. Es ist der gleiche Irrtum, wie wenn man das Nichts negiert und meint, man hätte damit auf das Sein geschlossen.

  307. "Jedes Kind, das geboren wird, hat eine Mutter." - Die Mutter ist notwendig. Das Kind nicht. Wir sehen daran, daß die Notwendigkeit der Möglichkeit vorausgeht.

  308. Die "logische Notwendigkeit", wenn B dann auch A, zeigt ebenfalls an, daß A B vorausgeht und nicht umgekehrt.

  309. Der Fehlschluß folgt, wenn man sagt, B sei möglich und deshalb auch A möglich. B mag abhängig sein von A, aber A nicht von B.

  310. Notwendigkeit bedeutet "logisch" "nicht ohne". In diesem Sinne resultiert der falsche Begriff der Notwendigkeit aus der Negation der Möglichkeit.

  311. Ein zweiter Typ Fehlverwendung der Notwendigkeit besteht darin, daß man von "in allen Fällen" spricht. Die Aussagen sind nicht identisch. Alles, was notwendig ist, gilt zwar auch in allen Fällen, aber was in allen Fällen ist, ist noch lange nicht notwendig.

  312. Insgesamt bleibt daher fraglich, ob Notwendigkeit überhaupt Gegenstand der Kategorien ist. Es bedeutet im Sinne Kants "kann nicht anders gedacht werden". Ontologisch heißt es "kann nicht anders sein". Aber das ist ja gerade keine Aussage über die Notwendigkeit, sondern über die Möglichkeit.

  313. "Jedes Handeln hat notwendig ein Ziel." - Diese Aussage muß von dem gedanklichen Überbau befreit werden. Es ist eben keine Aussage über eine Möglichkeit. Die Möglichkeit tritt erst hinzu, wenn das Denken sich einschaltet und versucht, etwas anderes zu denken und dabei scheitert.

  314. Die Wahrheit der Notwendigkeit bedarf keiner Negation, um wahr zu sein.

  315. Für die Existenz des göttlichen Gesetzes in mir bedarf es nicht des Übertretens. Im Übertreten erkenne ich das Gesetz, aber die Existenz dessen hängt davon nicht ab. Die Übertretung fügt der Wahrheit des Gesetzes nichts hinzu.

  316. Es hat hundert Jahre gedauert, bis Blondel die Eselei der Freiheit bei Kant aufgedeckt hat: Es ist notwendig, daß der Mensch handle. Notwendigkeit und Möglichkeit widersprechen sich nicht.

  317. Die Paradoxie wird - hier spricht der Pädagoge - durch die Negation klar. "Es ist nicht notwendig, daß der Mensch handle." Wäre dieser Satz wahr, dann hätte der Mensch gar keine Möglichkeit zu handeln. Darüber muß man lange nachdenken.

  318. Die Aussage heißt deshalb nicht: B hängt von A ab. Das greift zu kurz. Es heißt: A ist und dann folgt B oder C oder D oder ...

  319. Kant meint quasi: A ist und der Mensch entscheidet dann, ob B oder nicht B. Aber das ist falsch, denn wenn er entscheidet B, dann B, und wenn er entscheidet nicht B, dann C oder D oder usw.

  320. Medienpädagogisch würde man sagen: Die Kategorien Kants sind ohne Kontext. Die Logik hat sich so sehr verselbständigt, daß sie nicht mehr wahrnimmt, daß sie in ihrer Isolation keine Aussagekraft hat.

  321. Es ist der gleiche Blödsinn des "empirischen Idealisten", der die Fallbeschleunigung für etwas Reales hält. Eigentlich müßte man bei diesem Typus von Sophist die Zuschreibung "Irrealisten" gebrauchen. 9,81 m/s2 - Was zum Teufel soll eine Quadratsekunde sein? Das ist wirklich "vernünfteln".

  322. Auch merkwürdig: An Gott nicht glauben können wollen, aber an Formeln glauben müssen wollen.

  323. Oder als andere Parallele: "Es gibt kein Recht, es sei denn vom Menschen gesatztes Recht." Aber Formeln?

  324. Nehmen wir die Fallbeschleunigung: Der Apfel fällt. Die Formel beschreibt seinen Fall. Die Formel kann zurück in der Zeit, der Apfel aber nicht. Er fällt nach unten, nicht nach oben.

  325. Das System der Physik versteht nicht, wie sehr sie in diesen basalen Zusammenhängen irre geht.

  326. Übrigens das gleiche Problem bei Kant: Die Physik weiß nicht, was eine Sekunde ist. Sie zeigt auf den Zerfall eines Cäsiumatoms. Sie braucht den Index, die Haecitas. - "Gedanken ohne Verweis sind leer." So wäre es richtig.

  327. So sind wir zurück bei Descartes: Die Möglichkeit des Zweifels setzt nicht nur das Objekt voraus, was bezweifelt werden kann, sondern auch den Verweis auf das, was bezweifelt wird.

  328. Beides, der Verweis und die Wahrheit des Objekts, können niemals ihren Ursprung im Subjekt haben.

  329. Ein Meilenstein der neuzeitlichen Irrwege war der Brief Galileis an Castelli. "Das Buch der Schöpfung wurde geschrieben in der Sprache der Mathematik." - Die Mathematik ist keine Sprache, sondern ein Zeichensystem. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten. Galilei hat das völlig ignoriert.

  330. Niemand spricht "Mathematisch". Erst recht keine Dialekte.

  331. Die Mathematik kann auch niemals eine Sprache sein, da eine Sprache immer konkret ist.

  332. Alle Sprachen führen zur Kommunikation. Die Mathematik kommuniziert nicht.

  333. "f(x) = a x2 + p x + q." Untertitel (übersetzt): Reich mir bitte mal die Butter!

  334. Eine Sprache kann übersetzt werden in eine andere. Freilich gibt es da einen Verlust. Die Mathematik kann nicht übersetzt werden in eine andere Sprache. Sie ist keine Sprache.

  335. Berlinski meinte, Newton habe die Geometrie abstrahiert, als er ein Koordinatensystem auf den Raum anwandte. Vorher war die Geometrie die Geometrie eines Ortes. Von da an ist sie die Geometrie der Zahl.

  336. Ein Koordinatensystem ist eine Punktmenge. Die Welt besteht aber nicht aus Punkten.

  337. Im Grunde handelt es sich in solchen Fällen immer um Kategorienfehler.

  338. Die Analytische Philosophie ist Mist. Ihre Propheten meinten, man könnte die Sprache formalisieren, d.h. in die Sprache der Mathematik übersetzen.

  339. Die Logik als Lehre der Schlußfolgerungen nach dem Bilde der Mathematik ist eine Irrlehre.

  340. Die Logik wurde eine boolsche Logik. Wahr und Falsch können durch 1 und 0 repräsentiert werden bzw. durch An und Aus.

  341. Die Wahrheit einer Sache kann niemals durch 1 und 0 oder An und Aus ausgedrückt werden.

  342. Die Aussagenlogik verwechselt die Wahrheit einer Sache mit der Wahrheit einer Aussage. Der Begriff der Wahrheit wird äquivok verwendet. In der Aussagenlogik bedeutet wahr lediglich: Es ist. In der Phänomenologie dagegen heißt wahr: Es ist so.

  343. Sowohl die Aussagenlogik als auch die Prädikatenlogik enthalten keinen Verweis.

  344. Gleichsam kann die Logik insgesamt nicht erklären, woher die Bedeutung eines Zeichens herkommt.

  345. "Das Auto ist rot." - Die Determination kann nur gelingen, wenn der Verweis auf ein konkretes Auto stattfindet. Was ist, wenn der Sprecher dabei aber auf ein Fahrrad zeigt? Woher weiß die Logik, daß dieser Verweis ungültig ist oder umgekehrt gültig? Und woher weiß die Logik, was "rot" ist?

  346. So wie die Mathematik in sich geschlossen ist und niemals aus ihrer Idealität ausbrechen kann, so auch die moderne Logik. Es handelt sich um ein Zeichensystem, ohne daß das Bezeichnete darin erkannt werden kann.

  347. Selbst wenn das Bezeichnete in der Logik erkannt wäre, so könnte sie niemals erklären, weshalb das Zeichen das Bezeichnete bezeichnet.

  348. Der gewöhnliche Sprachgebrauch kennt eine gewaltige Fülle an verschiedenen Zeichen für ein und dieselbe Sache.

  349. In der Mathematik gibt es keine Ironie, keine Metapher, keine Tropologie, keine Rhetorik.

  350. Es gibt Dinge, die sind nicht durch Zeichen direkt bezeichenbar. Der Dichter kennt sich mit der Sprache aus, die ausspricht, was nicht direkt aussprechbar ist.

  351. Die Größe der Sprache besteht darin, mehr sagen zu können, als das, was ein Zeichen hat.

  352. Die meisten bedenken nicht, daß der Dichter spricht, der Mathematiker aber niemals spricht. In der Mathematik gibt es keine Sprecher.

  353. Der Glaube an die wissenschaftliche Methode hat den Sprecher eliminiert.

  354. Der Glaube an die wissenschaftliche Methode hat das Subjekt, das erkennt, eliminiert.

  355. Der Glaube an die wissenschaftliche Methode hat die Pädagogik zerstört.

  356. Erinnerung: Nur das Individuum hat ein Wissen. Es gibt kein Wissen als Kollektiv.

  357. Die Rede von der Menschheit ist eine Verlegenheit.

  358. Die Sprache verliert jegliche Bedeutung, sobald sie falsch gebraucht wird. Das zeigt sich vor allem an den allgemeinen Begriffen, die an die Stelle der konkreten Dinge treten.

  359. "Menschheitsfamilie" - solche Wörter sollte jeder aus seinem inneren Wörterbuch streichen. Es gibt keine Menschheit als Subjekt, als Träger von Handlungen, als metaphysisches Ding. Die Menschheit existiert allein als Universalie, als Gattungsbegriff allgemeiner Art. Die Familie dagegen ist immer konkret, reales Ding, metaphysische Einheit als Verbindung von Individuen.

  360. Daran erkennt man auch, daß der Begriff der Menschheitsfamilie und die Aussage "Wir sind alle Menschen." nicht identisch sind.

  361. Sobald das Subjekt den Identitätssatz aufgibt, wird es unfähig, die Dinge zu unterscheiden.

  362. Das Unterscheiden resultiert nicht aus der Identität und der Negation der Identität, sondern daraus, daß zwei Identitäten aufeinanderprallen.

  363. Kategorien sind darum Erkenntnisgründe, die die Identität einer Sache feststellen.

  364. Der Zufall ist keine Kategorie. Er ist das Staunen über die Dinge, die wir nicht verstehen.

  365. Die Philosophen aller Zeiten sind in der Gefahr, die Geschichte zu mißachten. Ein Wort wie Schicksal deutet darauf hin, daß die Welt nicht statisch ist.

  366. Ähnlich dem Schicksal ist das Ereignis. Dinge sind nicht nur, sie geschehen.

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