Ich bin kein Stein

Zu den fundamentalen Erwägungen und Betrachtungen des Menschen gehört auf den vorderen Plätzen das 'Tu fecisti nos'. Wir verdanken unser Dasein nicht uns selbst, sondern Gott. Diese Betrachtung ist noch etwas ungeschliffen. Denn Dasein ist ein zu intellektueller, nüchterner Begriff. Besser wäre es, von Leben zu sprechen. Auch ein Stein hat ein Dasein. Aber er ist nicht lebendig. Das zeichnet uns Menschen aus. Wir leben. Ich lebe. Diesen Unterschied wahrzunehmen und daraus zu leben, das ist die Frucht dieser Erwägung. Lebendig bin ich, weil Gott mich lebendig gemacht hat. Ohne Gott bin ich was? Staub. Ein Stück kosmisches Geröll. Aber weil er mich lebendig machen wollte, weil es ihm gefiel, deshalb hauchte er mir Leben ein. Aus diesem Hauch Gottes komme ich.

Wie stumpf sind wir geworden in dieser Zeit? Wir sehen nicht, daß wir keine Steine sind. Wir nehmen unser Leben selbstverständlich wie die Existenz eines Steines. Und wir projizieren uns in uns selbst hinein: 'Ego feci me.' So als würde ich mein Leben aus mir selbst haben. Was für eine absurde Idee! Doch dieses Leben, was ich nicht aus mir, sondern aus Gott habe, daß muß mir erst einmal aufgehen. Erst dann verstehen wir, was es heißt lebendig zu sein: Es heißt vom Hauch Gottes, der mich lebendig macht, anrühren zu lassen. Diese Beziehung zu Gott, der Quell meines Lebens, steht am Anfang. Nicht um den Ursprung seines Lebens zu wissen und aus diesem Ursprung zu leben heißt zum Stein zu werden.

Was mich dabei so erstaunt: Ich kann dagegen nicht anreden. Es ist mir unmöglich zu glauben, es verhielte sich anders. Ich bin ein beseeltes Wesen und meine Beseeltheit kommt nicht aus mir selbst, sondern wurde mir gegeben. Das Gegenteil anzunehmen, ich wäre mein eigener Ursprung, die Wurzel meiner Beseeltheit selbst, meine Lebendigkeit selbst, ist die exakte Definition von Wahnsinn. Der Stein, der sich für lebendig hält, ist Wahnsinn.

Vorheriger Beitrag Nächster Beitrag