Berufung desorientiert

In diesen Zeiten ist die Frage nach Berufung eigentlich eine unmögliche Frage. Sie ist nicht voraussetzungslos, sondern hat viele Anforderungen, um ihr nachzukommen. Eine Voraussetzung wäre bereits, was eigentlich Berufung meint. Es gibt eine Berufung des Menschen, die aus seiner bloßen Existenz erwächst, und es gibt eine Berufung des Christen als Anteil an der Sendung Christi. Wenn in der Kirche von der Berufung geredet wird, dann meint man letzteres. Aber: Die vorige ist die Voraussetzung zur folgenden.

Nun ist es so, daß diese erste Berufung nicht gelebt wird. Dazu gehört etwa das sittliche Leben (denken wir an die Zehn Gebote), die Bildung des Menschen, das Leben in Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer und die Hoffnung auf Glückseligkeit. Man kann sich an Kants drei Fragen orientieren: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was kann ich hoffen? Dazu tritt eine wesentliche Frage: Wo komme ich her? Denn das ist macht den Menschen eigentlich aus. Die Antwort auf diese Frage gibt ihm seine Identität und bildet das Sprungbrett zur Frage: Wer bin ich?
Wenn wir diese Themen "abarbeiten" würden, dann erkennen wir unweigerlich, daß das sittliche Leben eine Katastrophe ist, daß die Bildung auf das Niveau eines Tieres gefallen ist, daß der Narziß blüht und jeder nach dem Motto "nach uns die Sintflut" lebt. Die Voraussetzungen sind nicht da. Die Frage nach der Berufung im Sinne der Sendung Christi kann nicht sinnvoll beantwortet werden unter diesen Umständen.

Es ist deshalb ein gravierender Fehler, nur innerkirchlich von einem Katechesenotstand zu reden. Es ist kein binnenkirchliches Problem, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Deutlicher gesagt: Die Probleme der Katechese sind eins zu eins die Probleme der Schule. Der Firmling hat am Ende der Katechese genauso wenig Ahnung wie der Abiturient am Ende der Schule.

Was ist die Konsequenz? Was tun? Der Ansatz kann nur lauten: eruditio. Bildung. Nicht Schule. Das sind keine Synonyme.

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