Die Identitätskrise der Gläubigen zerfällt in zwei Bereiche: die Identität des "Laien" und die Identität des Priesters. Beides hat fundamentale Auswirkungen auf die gegenwärtige Situation der Kirche. Die Laien wissen nicht, wer sie sind, die Priester wissen es auch nicht. Und das gilt vice versa. Niemand weiß nichts.
In diesem Beitrag möchte auf die priesterliche Existenz eingehen und die Probleme ansprechen.

Problem 1: Wesen des Priestertums

Vielen Priestern (und insbesondere Bischöfen) ist nicht klar, was das Priestertum ist. Das Priestertum ist die Mittlerschaft zwischen Schöpfer und Geschöpf. Gott für sich genommen ist transzendent. Indem er in Jesus Christus Fleisch angenommen hat (Inkarnation), kam er der Schöpfung nah. So nah, daß er bis in die Tiefe der Welt hinabgestiegen ist, um die tiefste Tiefe zu erleuchten und in die Wirklichkeit Gottes zu verwandeln. Das geschah, indem Christus sich selbst am Kreuz hingegeben hat, als Opfer an den ewigen Vater, d.h. als Verwirklichung der äußersten Liebe in der Hingabe des eigenen Lebens. So war er das Lösegeld für die Sünden der Menschen, die sich von Gott abgewandt hatten.
Das Priestertum hat also zwei Teile: die Fleischwerdung und das Opfer am Kreuz. In der Feier der Heiligen Messe kommt dies zusammen. Christus der Hohepriester opfert sich im Opfer der Messe dem Vater, d.h. sein Opfer findet auf dem Altar statt. Christus nimmt das Fleisch an, indem er Wein und Brot in sein Fleisch und Blut verwandelt. In der Liturgie bedient sich der Hohepriester Jesus Christus des menschlichen Amtspriesters. Er nutzt dessen Hände, um sich im Sakrament zu verleiblichen und sich dem ewigen Vater hinzugeben.

Die Bindung Jesu Christi an einen Menschen stammt aus seinem Willen. Wer macht den Priester? Christus macht den Priester. Der Priester ist von Christus eingesetzt. Diese Einsetzung geschieht durch das Sakrament und so muß die Priesterweihe ein Sakrament sein. Ohne das Sakrament gäbe es keine Einsetzung und kein Priestertum. Der Priester ist also keine Beauftragung der Gemeinde. Die Gemeinde hat keinerlei Einsetzungsgewalt über das Priestertum. Nur Christus hat diese Gewalt und zwar im Sakrament der Priesterweihe.
Somit unterscheidet sich das geistliche Amt des Priesters von allen anderen Ämtern. Es ist nicht menschlich, sondern göttlich. Es ist nicht Verdienst des Menschen noch Ausfluß der Gemeinschaft. Es ist keine Delegation oder Repräsentation eines Volkes. Der Priester vergegenwärtigt Christus, den Hohepriester. Deshalb kann das Priestertum nicht durch menschliche Satzung verändert werden. Oder wie es im Psalm heißt: "Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks." Es ist keine menschliche Ordnung, sondern die Ordnung Christi.

Die Identität des Priesters hängt deshalb nicht an seinen eigenen Talent, hängt nicht von den Charakteren seiner Gemeinde, hängt nicht von seinen Vorstellungen vom gelungenen Leben ab. Die Identität hängt einzig und allein von Christus ab. Ohne diesen Kern ist der Priester alles mögliche - nur nicht Priester Jesu Christi.
Ob das klar ist? Die Identität hängt auch nicht von der Seminarausbildung ab. Das ist nicht relevant. Nicht der Regens macht den Priester, sondern Christus. Der Priester ist nicht das Resultat der Ausbildung. Die Weihe macht den Priester und nichts sonst. Im Sakrament kommt die Identität. Daraus folgt alles. So muß sich der Priester nicht selbst erfinden. Er ist Fund; Fund Christi. Er übt sich ein in seine Identität, die er von Christus erhalten hat.

Problem 2: Männlichkeit

Der Priester folgt dem Hohepriester Christus nach. Er wird Christus gleichgestaltet und ihm gleichförmig. Der Sohn Gottes hat Fleisch angenommen. Das schließt seine Männlichkeit mit ein. Deshalb ist die Männlichkeit Teil der priesterlichen Identität. Christus ist der Vater im Glauben, weil durch ihn alle zu Kindern Gottes werden. Es ist seine Tat, die Taufe, die den Christen zeugt. Niemand kann sich selbst zum Christen machen. Nur Christus kann dies, indem er den Mensch aus dem Heiligen Geist neuschafft. Weil Christus der Vater aller Kinder Gottes ist, deshalb hat der Priester Anteil an der Väterlichkeit Christi.

Nun leben wir in einer Zeit, in der das Geschlecht aus der Identität herausoperiert wird. Es bleibt ein geschlechtsloser, androgyner, unisexer Schatten übrig. Das ist der moderne Priester. Ohne die geschlechtliche Dimension ist der Weg natürlich frei für das Frauenpriestertum. Warum entmannt man das Priestertum? Um Frauen einzuführen. Ganz einfach. Solange über das Frauenpriestertum geredet wird, solange wird der Priester seine Identität nicht finden. Es ist ein Angriff auf ihn.

Problem 3: Das Opfer als Wesensvollzug

Das Sein des Menschen: Die Existenz offenbart die Essenz, indem sie sie verwirklicht. Das Wesen des Menschen aber, dem Prinzip nach!, ist die Liebe, aus der der Mensch hervorgegangen ist, sowohl der Liebe Gottes als auch der Liebe des Menschen. Wirklich wird die Liebe im Menschen, der Mensch wird, d.h. durch die Geburt. Vollendet aber wird die Liebe in der Hingabe, indem der Mensch für den anderen Mensch stirbt, d.h. durch den Tod. Diese Hingabe, der harte Kern der Liebe, des Lebens kennzeichnet die letzte Wirklichkeit der Wahrheit des Menschen. Das Ziel des Menschen, d.h. sein Sinn, liegt darin, sich hinzugeben. Von dort her kann erst der Mensch bestimmt werden in seiner Natur, in seinem Wesen, in seiner Bedeutung.
Offenbart wurde das durch Christus im Opfer des Kreuzes. Das Kreuz ist der Altar, auf dem der Sohn hingegeben ward. Der Priester als Gebrauchter, als Werkzeug des Sohnes, ist das Werkzeug seines Opfers. Er ist instrumentum Dei. Und so wie der Sohn stets Opfer war, d.h. Hingabe an den Vater und schließlich in Menschwerdung und Kreuz Hingabe an den gefallenen Menschen, so ist es auch der Priester. Das Leben des Menschen, wenn es christliche Liebe ist, ist immer Opfer, immer Proexistenz, immer "leben für".

Hingabe also ist, was den Priester eigentlich kennzeichnet. Da ist die Identität angelangt, wo sie hin soll. Der Priester, der für sich bleibt und nicht in die Erde fällt und nicht stirbt, der wird auch keine Frucht bringen. Und das ist der Grund, warum die Priester heute keine Frucht bringen. Sie fallen nicht in die Erde, um zu sterben. Anders gesagt: Ein Priester, der nicht an das Opfer glaubt, der glaubt nicht an das Priestertum; der glaubt auch nicht an die Liebe.
Das Opfer erkennt man am Aua: Je Aua, desto Opfer. Der Priester, der sich nicht "reinwirft", der nicht seine Existenz auf das Spiel setzt, um den Sünder freizukaufen, ja, was soll der sein? Alles nur kein Priester.

Denken wir an Abraham: Warum ist sein Glaube so groß? Weil er ganz ein Vater war und lieber selbst gestorben wäre, als seinen Sohn zu opfern. Der Preis des Sohnes ist höher als das eigene Leben. Aus dieser Haltung muß der Priester leben: Der Preis derer, die ihm gegeben sind, ist höher als sein eigenes Leben. Er gibt lieber sich als einer der seinen. "Gleich dem Pelikane starbst du Jesu mein..."