In der Gegenwart sind Gottesbeweise irgendwie aus der Mode gekommen. Sie gelten seit Kant, dem "Zerstörer der Metaphysik", als widerlegt. Nur irgendwie wird, also so philosophisch betrachtet, ignoriert, daß Kant selbst ein Gottespostulat aufstellt, was er für notwendig erachtet (also im Grunde ein Gottesbeweis!). Man übergeht das. Gott ist, was die Philosophie anbelangt, irgendwie "out".

Natürlich gibt es die klassischen Gottesbeweise: Anselms Gottesbeweis im Proslogion, der unbewegte Beweger von Aristoteles, der noetische Gottesbeweis von Augustinus, von selbigem ex destructione mundi, die Quinque Viae des Thomas von Aquin, der von Descartes ex perfectione, usw. Manches davon kann man sinnvoll kritisieren. Alle jedoch führen zu der Frage, was eigentlich ein Beweis ist und analog dazu, was das zu Beweisende ist. Und das macht die Sache schwierig. Letztlich ist das zugrundeliegende Argument der Gottesbeweise immer tautologisch. Denn wenn Gott existiert, dann ist der Beweis seiner Existenz trivial.
Sinn und Zweck der Gottesbeweise ist deshalb weniger der Beweis der Existenz Gottes, sondern der Versuch zu verstehen, was mit dem Wort eigentlich gemeint ist. Oder anders gesagt: Der Widerlegungsversuch der Existenz Gottes ist höchst produktiv, da die Unterscheidungsfähigkeit des Menschen ("philosophieren") geschärft wird und sich die Alterität Gottes, d.h. die Andersheit, klarer hervortritt. Der Gläubige von heute hat einen Mangel an Unterscheidungsfähigkeit. Ihm ist nicht klar, daß die Frage nach der Existenz Gottes nicht nur eine existenzielle Dimension hat - worauf heute eigentlich nur noch abgezielt wird, weil die Praxis des Glaubens davon abhängt -, sondern auch eine intellekte Dimension (vereinfacht: essenzielle) hat. Es ist die Erkenntnisfähigkeit des Menschen, die notwendig ist, um Gott als Gott anzunehmen. Nur über die Einsichtsfähigkeit, das scire Deum, kann der Mensch Gott vom Götzen unterscheiden. Vergessen wir nicht, was das Christentum sagt: der Logos wurde Mensch. Deshalb sind die Logik, die Dialektik, die Analogie, usw. geheiligt. Sie führen in das Geheimnis Gottes ein.

Die Verflachung des Christentums hängt von der Verflachung des Intellekts ab. Nicht um sonst gilt der Gebrauch des Verstandes als eine hohe Leistung des Menschen. In diesem Sinne sind die Gottesbeweise wirklich Wege zu Gott (Thomas v. Aquin). Eine der Tragödien besteht darin, daß dieser Weg abgeschnitten wird. Niemand spricht über die Gottesbeweise.
Freilich sind diese keine Wege zur Dreifaltigkeit. Das Wesen des Christentums, die mysteria stricte dictu, bleiben dem Intellekt ohne Offenbarung verborgen. Dort fügen die Gottesbeweise nichts hinzu. Und doch sind die Gottesbeweise unverzichtbar, denn sie sind ein Propädeutikum des Glaubens, eine Hermeneutik. Sie klären die Voraussetzungen, bewahren vor Fehlern, stecken das Gebiet des Geistes ab, wo sich die Wahrheit aufhält und wo die Falschheit abseits steht.

Die Kuriosität besteht darin, daß die Akademiker - und das ist inzwischen der Großteil - von Raketentechnik Ahnung haben, aber nicht von Philosophie. Sie können bis zum Mond fliegen, aber nichts über Anselm sagen. Das ist ein zentrales Problem. Die Gottesbeweise spielen dabei eine wesentliche Rolle: Sie sind das Sprungbrett, um überhaupt in die "Vorwörter" des Glaubens zu kommen. Jegliche Apologie des Christentums beginnt mit den Gottesbeweisen. An ihnen kommt man nicht vorbei. Es ist die Hauptfrage, von der alles weitere abhängt: An sit Deus? (Ob es Gott gibt?) - Wenn es Gott nicht gibt, dann ist es sinnlos weiterzufragen.
Zugleich - und das ist mir wichtig - sind die Gottesbeweise eine Sache der Überlieferung und der Geistesstärke des Christentums. Es ist eben der Logos. Damit unterscheidet sich das Christentum von sämtlichem Esoterik- und New Age-Kram. Die Ahnung "Da gibt es etwas über mir, eine kosmische Kraft, ein helles Licht, eine Energie,..." basiert nicht auf dem Logos, d.h. dem Intellekt, sondern auf irgendwelchen Gefühlen oder Phantasien. Noch mal anders gesagt: Wenn sich der Christ zu Gott bekennt und wenn sich der New Ager zu Gott bekennt, dann sind das zwei völlig verschiedene Sachen. Sie verstehen unter Gott etwas völlig anderes. Ohne Gottesbeweise treten diese Unterschiede nicht hervor. Und so ist leider die Lage. Wer an Gott glaubt, der findet sich heute im Konotat der Esoteriker vor.