Im Zentrum der menschlichen Reflexion stehen nach Kant drei große Fragen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? - Existenziell betrachtet muß der Mensch auf diese drei Fragen Antworten finden. Die erste Frage nach dem Wissen orientiert ihn in dieser Welt und gibt ihm etwas, das wir Weltverstehen nennen könnten. Dann folgte die zweite Frage nach dem Handeln des Menschen. Es ist die Ethik und die letzte Frage nach Gut und Bös. Schließlich die dritte Frage nach der Hoffnung. Was erwartet der Mensch vom Leben angesichts des Todes, angesichts der Endlichkeit? Hier ragt die sogenannte Theodizee schon in die Selbstverbürgung hinein. Eigentlich sind die diese Fragen noch harmlos. Sie haben ja etwas gemeinsam: Sie fragen nach dem "Was?", philosophisch nach dem "Quid" einer Sache. Es ist die klassische Aufgabe der Philosophie dieses Quid zu klären und damit eine Antwort zu geben, die bestehen kann, die für tragfähig befunden wird. Das 19. Jahrhundert hat keine Antworten auf diese Fragen gefunden. Es waren Sackgassen. Jedenfalls kann man das philosophisch so betrachten. Und dann bleibt nur der Sprung des Glaubens, wie ihn Kierkegaard formulierte. Das philosophische Beantworten mündet in einer Aporie, wie man sagt. Nun denn, so blieben dem Menschen zwei Möglichkeiten: Entweder er läßt sich auf die Sitte des keimenden Naturalismus des 20. Jahrhunderts ein und verändert die Frage vom Was zum Wie hin oder aber läßt sich auf den Sprung ein und hüpft vom Was zum Wer, vom Quid zum Quis.
Gesellschaftlich hat sich nach Kant die Entwicklung abgezeichnet vom Quid zum Quomodo (Wie) überzugehen. Damit ist der Mensch ein Naturalist, ein Materialist (was auch immer das sein mag?), geworden. Er fragt nicht mehr nach dem Was einer Sache und erlangt somit etwas wie Weltverstehen, Sittlichkeit und Hoffnung, sondern nach dem Wie einer Sache. In dem Wie liegt nichts dieser drei Antworten. Der Mensch verstummt. Und das ist das eigentliche Schicksal der Menschen unserer Zeit. Der Professor für Physik kann die erste Frage Kants nicht beantworten. Und - ist's Verlegenheit? - erklärt sie für irrelevant. Die anderen natürlich auch nicht. Statt eines "Du sollst..." gibt es nur noch ein "So ist's...". Damit ist die Krise eigentlich schon vollständig beschrieben - aus philosophischer Sicht. Anders gesagt: Seit dem 19. Jahrhundert produziert die Philosophie nur noch Gedanken, die nicht tragfähig sind. Es genügt ein wenig Hausverstand, um die meisten Philosophien des 19. und 20. Jahrhunderts zu widerlegen. Nietzsche war immerhin einer, der das ausgesprochen hat, auch wenn es nicht besonders tief war. Es hat aber genügt! Das ist der Punkt.
Für den Theologen, der weiß, wovon er redet, ist das Problem ein anderes. Zwar kann er die Fragen Kants beantworten, doch betrachtet er das als irrelevant. Relevant ist etwas anderes. Es ist die Frage nach dem Wer. Und das ist der eigentliche Punkt. Denn wir reden ja von Identität. Was ist die Identität? Es ist die Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Und das ist eine konkrete Frage, eine geschichtliche Frage! Also keine philosophische Frage. Am Ende hat nur die Theologie ein Antwort auf diese Frage, weil sie von der Person schlechthin, wie Chesterton sagt: dem Everlasting Man, spricht. Er ist das Maß aller Personalität und die Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Es ist nicht schwer den nächsten Schritt zu machen: Identität ist das Verhältnis zu Jesus Christus. Es ist diese Art christlicher Relativismus, d.h. die Beziehung zu Christus, zur absoluten Person (um mal ein bißchen für den Deutschen Idealismus zu reden), die tragfähig ist. Petrus spricht: Tu es Christus ("Du bist Christus!") und Jesus spricht: Tu es Petrus ("Du bist Petrus!"). Was so banal klingt, ist das Zentrum der christlichen Lehre vom Menschen. Petrus bekennt den Christus und so richtet er die wahre Relation zu Christus auf. Christus bekennt darauf den Petrus und gibt ihm diese neue Identität, indem er ihn bei seinem Namen ruft, den der Mensch von Ewigkeit her hat. Christus sagt dem Petrus, wer er ist. Das ist die "anthropologische Mitte" des Glaubens: Wer Christus erkennt, der erkennt sich selbst, weil er von Christus erkannt wird. Wer bin ich? Diese Frage kann kein Mensch beantworten, sondern nur der Gottmensch, der ewige Sohn im Fleisch erschienen. Er sagt, wer ich bin.
Die Lösung für das Problem setzt jedoch das Bekenntnis zu Christus voraus, wie Petrus es gegeben hat. Wer ist Christus? Er ist der Logos, der Schöpfungsmittler, der ewige Hohepriester, der ewige Sohn, das Lamm Gottes, der Messias, der Herr, der Meister (im Sinne von Lehrer), der Vater aller aus dem Geist geborenen, der Heilige Israels, der König der Juden, ... Und damit sind wir bei der Lösung der Krise angekommen: Die Lösung der Krise heißt Christus kennen, scire Christum. Die Lösung heißt, Christus wie Petrus zu bekennen. Der Mensch, der Christus angenommen hat als den Christus, der wird die Identitätskrise überwunden haben. Und er wird handlungsfähig sein in dieser Welt. Denn sein Leben ruht auf dem Fundament, dem Fels, das jeder Krise standhält.