I. Was ist Freiheit?

Üblicherweise bedeutet Freiheit, daß der Mensch in der Lage ist, das zu verwirklichen, was er will. Sein Wille ist nicht gebunden durch einen äußeren Zwang. Er trifft Entscheidungen. Jede Entscheidung führt zu der Verwirklichung einer Möglichkeit, die nur deshalb wirklich geworden ist, weil der Mensch seine Freiheit gebraucht hat. Die Freiheit zielt auf die Verwirklichung einer Möglichkeit des Menschen ab. Weil der Mensch seinen Willen gebraucht und dieser Gebrauch eine wirklich Konsequenz hat, deshalb ist er frei.

Die Freiheit besteht also aus folgenden Elementen: der Wille der Person, die Möglichkeiten einer Person, auf die sich der Wille richtet, die Entscheidung für eine Möglichkeit und die Verwirklichung dieser Möglichkeit. Die Unfreiheit kann demnach auch leicht beschrieben werden: Unfrei ist der Mensch, der entweder keinen Willen hat oder keine Möglichkeiten hat oder keine Entscheidungen trifft oder nichts verwirklicht. Das sind die Dimensionen der Unfreiheit und sobald ein Element nicht mehr existiert, so ist der Mensch nicht mehr frei.

Kann Freiheit gesteigert werden? - Diese Frage führt in die Irre. So hat man geglaubt, daß der Mensch freier wird, wenn er mehr Möglichkeiten hat. So als würde die proportionale Gleichung gelten: Je mehr Möglichkeiten, desto freier. Diese Ansicht ist falsch. Ob der Mensch eine oder hundert Möglichkeiten hat, ist für den Gebrauch der Freiheit nicht entscheidend. Entscheidend ist, ob er eine Möglichkeit wirklich annimmt, sich für sie entscheidet und verwirklicht. Eine Möglichkeit zu verwirklichen verunmöglicht andere Entscheidungsalternativen. Allgemein gilt, daß Freiheit nicht in einer Vergleichssituation ist. Es gibt nicht mehr oder weniger Freiheit, sondern es gibt nur frei oder unfrei. Die Freiheit ist eine Ganzheit. Keine Element der Freiheit kann gesteigert werden, sodaß die Freiheit insgesamt größer wird. Die Freiheit ist eine totale Gegebenheit. Entweder sie ist oder sie ist nicht.

Die Wahl, die der Mensch zu treffen hat, besteht daher nicht darin, ob er mehr oder weniger Freiheit haben möchte, sondern ob frei oder unfrei sein möchte. Vor diesen Optionen steht er.

Hinzu tritt der Maßstab aller Freiheit: das Gute zu tun. Freiheit, die sich auf das Böse richtet, ist nicht gut. Das ist eine einfacher, trivialer Satz und insofern evident. Doch wird er normalerweise ignoriert. Denn Freiheit ist nicht in sich gut, d.h. sie ist kein Selbstzweck, sondern dient dem größeren Ziel und das ist das Gute selbst, das in der Liebe verwirklicht wird.

II. Unfreiheit näher betrachtet

Unfrei ist der Mensch, der eines der vier Merkmale der Freiheit nicht besitzt: einen eigenen Willen, Möglichkeiten des Handelns, eine Entscheidung für das Handeln, die Verwirklichung in der Handlung. Wenn eines dieser Merkmale fehlt, dann ist der Mensch unfrei. Sie können auch in Kombination auftreten. Der Weg in die Unfreiheit ist damit beschrieben. Der Angriff auf die Freiheit des Menschen, die wahre Souveränität, betrifft diese vier Elemente. Gehen wir sie einmal durch.

Nicht verwirklichen können

Die letzte sichtbare Äußerung der Freiheit ist die Verwirklichung. Ein Mensch, der eine Möglichkeit nicht in die Wirklichkeit überführen kann, ist nicht frei. Er gleicht einem Gefangenen, dem die Hände gefesselt sind. Die Fesselung hinsichtlich der Verwirklichung nennen wir die äußere Unfreiheit. Es ist das letzte Glied in der Freiheitskette. Alle freiheitsentziehenden Handlungen richten sich auf diese äußere Handlungsfreiheit. Es gibt nicht nur mechanische Ursachen, wie die physische Fesselung, die diese Freiheit verhindern. Es gibt auch psychische Ursachen. Ein Kind, das Schulangst hat, ist in seiner äußeren Handlungsfreiheit gefesselt.

Nicht entscheiden wollen

Vor der Verwirklichung liegt die Entscheidung. Ein Mensch wählt. So wie ein Spieler seinen Einsatz am Roulettetisch macht, so der Mensch in seinen Entscheidungen. Ohne diese Wahl, d.h. ohne einen inneren Einsatz zu tätigen, gibt es keine Verwirklichung keine Freiheit. Man nennt diese Dimension der Freiheit die Wahlfreiheit. Ein Mensch, der hier blockiert ist, der kann sich einfach nicht entscheiden. Im Mittelalter gab es die berühmte Frage nach dem Esel, der zwei gleichattraktive Heuhaufen sieht und sich für keinen der beiden Haufen entscheiden kann und so elendig verhungert. Frei ist der Mensch, der wählt. Wer nicht wählt, der verwirklicht auch nicht. Er gebraucht seine Freiheit nicht, sondern läßt sie ungenutzt liegen.

Ohne Möglichkeiten

Die Wahlfreiheit bezieht sich immer auf eine Möglichkeit. Die Handlungsoptionen, die der Mensch hat, sind begrenzt. Er kann aus einem Apfel kein Auto bauen. Er kann vielleicht einen Apfelkuchen daraus machen oder ihn einfach so essen. Oder ihn wie einen Ball benutzen und gegen einen Baum werfen. Diesen Aspekt der Freiheit nennen wir Handlungsalternativen. Es gibt bestimmte Möglichkeiten, die verwirklicht werden können. Unfrei ist derjenige, der keine Möglichkeiten hat. Auch nur eine Möglichkeit genügt, um frei zu sein. Bedenken wir: Die Entscheidung ist eine positive Wahl. Wer eine Möglichkeit hat, der kann diese annehmen oder ablehnen. Dann ist der Mensch frei. Erst wenn er keine Möglichkeit hat, dann ist er nicht frei. Sein positives Ja reicht aus, um frei zu sein, und mögen die Handlungsalternativen noch so wenige sein.

Ohne Willen

Der Wille des Menschen ist eine eigenartige, mysteriöse Sache. Es gibt nichts, was so geheimnisvoll ist und so viele Schwierigkeiten bringt. Er ist kein Gegenstand der modernen Wissenschaften. Die Physik kann ihn nicht erklären und die Biologie auch nicht. Niemand kann ihn vorhersehen. Die Unterscheidung des Willens hat drei Ebenen: der eigene Wille, der fremde Wille, der fehlende Wille. Frei ist der Mensch, der seinen eigenen Willen gebraucht. Unfrei ist der Mensch, wenn er seinen eigenen Willen nicht gebraucht. Die Ursache kann darin liegen, daß ein fremder Wille herrscht, d.h. der Mensch an der Nase herumgeführt wird, oder daß gar kein Wille herrscht, weil der Mensch antriebslos geworden ist. Das ist der Sonderfall des Nihilismus. Der fremde Wille und der eigene Wille müssen nicht notwendig einander gegenüberstehen. Wenn ein Ehepaar gemeinsam in den Urlaub fährt, dann stimmen der Wille des anderen und der eigene Wille überein. Der fremde Wille richtet sich nur dann gegen den eigenen Willen, wenn der eigene Wille nicht mehr ursächlich ist. Dann ist der Wille fremdbestimmt.

Freiheit zum Bösen

Schließlich ist das äußerste Maß der Freiheit, ob der Mensch sie zum Guten gebraucht oder ob er das Böse schafft. Unfrei sein heißt, das Gute nicht verwirklichen zu können. Nur das Gute ist legitim, gerechtfertigt, wertvoll. Das Böse dagegen hat kein Recht. Der Mensch mag also alle vorigen Kriterien der Freiheit erfüllen und doch unfrei sein, wenn er seine Freiheit nutzt, um Böses zu tun.

III. Wie man frei wird

Die Wurzel der Freiheit liegt in dem eigenen Willen, der jeglichem anderen Freiheitselement vorausgeht. Mächtig ist der Mensch, der seinen eigenen Willen hat. Das ist die Basis. Wem dieser Wille mangelt, der wird nie frei handeln können. Nun wird der eigene Wille oft fremdbestimmt. Das geschieht durch die Verführung. Hier kommt also eine Unterscheidung hinzu: Es gibt einen starken Willen und einen schwachen Willen. Der starke Wille läßt sich von einem fremden Willen nicht beeinflußen. Er bleibt unter allen Umständen souverän. Der schwache Wille dagegen läßt sich von einem fremden Willen beeinflußen. Schließlich tut er das, was der Mensch eigentlich nicht will. Der Apostel Paulus berichtet von dieser Willensschwäche. Er tut das, was er eigentlich gar nicht will.

Der schwache Wille ist eines der Hauptprobleme der Unfreiheit. Es sind die Entscheidung des Menschen, die sich gegen sein eigentliches, wahres Ziel richten. Er wird manipuliert. Im Grunde liegt diese Situation im Garten Eden vor: Adam wird verführt von Eva und Eva wird verführt von der Schlange. Der starke Wille hätte das Problem verhindert. Eva hätte nicht auf die Schlange gehört und Adam nicht auf Eva. Bei der Verführung gibt es deshalb immer eine Mitwirkung. Jeder ist verantwortlich dafür, wozu er sich verführen läßt. Die Verführung führt zu einem Nachgeben im Willen. Dieses Nachgeben wird ausgenutzt, um Handlungen zu verwirklichen, die sich gegen den Menschen richten. Neudeutsch heißt das: Manipulation. Wenn der Mensch wirklich frei sein will, dann muß er den schwachen Willen ablegen und stark werden. Das Problem sind deshalb nicht die einzelnen Verführungen, sondern der schwache Wille selbst. In ihm ist der Mensch ausbeutbar, veränderlich und nicht Herr seiner Selbst. Selbstherrschaft hat nur derjenige, der stark ist in seiner Schwäche.

Die Folge der Willensschwäche ist offenkundig: Der Mensch ist wie ein Internet Explorer. Er kann von jedem und allem, der ein wenig Kenntnis hat, ausgebeutet werden. Seine Handlungen werden dann geleitet. Er gleicht einer Marionette, die von einem Puppenspieler kontrolliert wird. Das ist die Hauptquelle aller Unfreiheit.

Die Verführung des Menschen funktioniert einfach. Es sind die niederen Teile der Seele, die angesprochen werden: Sexualtrieb, Hungertrieb, Hochgefühle, Ansehen, ... ja eigentlich die Todsünden, wie man sie halt kennt. Es ist die alte Frage: Wer herrscht? Herrscht der Mensch über sein Geschlecht oder herrscht das Geschlecht über den Menschen? In meiner Jugend hieß das Stichwort: Schwanzgesteuert. Frei ist der Mensch, der über sein Geschlecht herrscht und über alle anderen niederen Seelenteile überhaupt. Die Frage nach der Freiheit des Menschen ist deshalb direkt mit den Todsünden verbunden. Nicht weil sie Spaßverderber des Menschen sind, sondern weil sie dem Menschen die Herrschaft abluchsen und ihn vertieren, d.h. ihn auf die niedere, triebhafte Ebene hinabziehen. Wie ein Ballermannhit sagt: Aber am besten ist immer noch: Saufen, Saufen, Saufen. Saufen, Saufen, Saufen, Saufen, Saufen, Fressen und Ficken. - Was ist das anderes als die Vertierung des Menschen?

Ein Mensch, der für solche niederen Ziele empfänglich ist, der ist kontrollierbar. Es ist ein Zustand, indem sich der Mensch befindet, ein Zustand der Vertierung. Sobald der Mensch in diesen Zustand gerät, wird er ausbeutbar. Für ihn gilt die Pawlowsche Konditionierung. So wie man Hunden ein bestimmtes Verhalten antrainiert, das aus Belohnung und Strafe hervorgeht, so konditioniert man nun Menschen. Der Verhaltenspsychologe weiß, welche "Knöpfe er drücken muß", um ein bestimmtes Verhalten zu erlangen. Freiheit heißt deshalb, dem Manipulator die Knöpfe wegnehmen. Und das geht nur, indem der Mensch Herr über seine niederen Triebe wird. Er muß sein Geschlecht beherrschen, seinen Hunger, seine Süchte, seine Kicks, seine Bedürftigkeiten, usw. Die Gesichter dieser niederen Teile der Seele sind die Todsünden. Anders gesagt: Wer die Todsünden besiegt, der ist frei. Der er hat die Schwachheit seines Willens abgelegt und ist stark geworden. In diesem Sinne reden die Wüstenväter von der Apatheia, der Leidenschaftslosigkeit. Gemeint ist damit nicht so etwas wie Herzblut. Leidenschaft in diesem Sinne ist etwas anderes. Nein, es geht um die niederen Triebe. Sie zu beherrschen gibt dem Menschen die Freiheit. Nur der leidenschaftslose Mensch ist frei. Es sind quasi Synonyme.

Der Kampf gegen die Leidenschaft ist deshalb der Kampf für die Freiheit. Warum sagen die Katholiken, daß Sex vor der Ehe keine gute Idee ist? Deshalb! Weil hier der Pimmel regiert und nicht der Wille. Der Mensch muß lernen, über seinen Körper zu herrschen. Weil der Mensch frei ist, kann er sich dann in der Ehe ganz hingeben. Und freilich dann den besseren Sex haben. Denn er tut es in Freiheit und nicht in sexueller Versklavung.

Freiheit zum Guten

Wirklich frei ist der Mensch nur, wenn er von seinem eigenen Willen regiert wird und diesen Willen zum Guten nutzt. Beides muß zusammen kommen. Deshalb muß der Mensch den Kampf gegen die Sünde aufnehmen. Die Sünde gibt dem Menschen die Verantwortlichkeit: Sei dein eigener Herr! Und zugleich verführt sie ihn ins Verderben, weil sie das Böse verwirklicht.
Die Unfreiheit besteht deshalb auch vor allem darin, nicht zu wissen, was wirklich gut und was wirklich böse ist. Gut und Bös werden vertauscht. Die Sünde untergräbt das Erkenntnisvermögen. Der Mensch wird blind gegenüber dem Guten. Das liegt auf der Hand: Der Mensch rechtfertigt sein unmoralisches Handeln. Er nennt etwas gut, was in Wahrheit böse ist. Und so lebt in ihm ein Keim, der wächst und auf andere Bereich übertritt. Wenn in einem Fall das Gute für das Böse eingetauscht wird, dann gibt es keinen Grund, warum es in einem anderen Fall nicht anders sein sollte.

IV. Praktische Folgerungen

Der heutige Mensch ist einen permanenten Zustand der Vertierung. Er wird getrieben von einem fremden Willen, wer er beherrscht wird von seinen niederen Trieben. Er ist für die Pawlowsche Konditionierung empfänglich. Der schwache Wille wird dauernd ausgebeutet. Wie kommt es dazu?

Wenn wird die Angesichter der Unfreiheit durchsehen, d.h. die Todsünden, dann sehen wir besonders die körperlichen Leidenschaften (Stichwort: Saufen, Fressen, Ficken), die unkontrolliert sind (im Kirchensprech: ungeordnet). Die allgegenwärtige Pornographie, die außer Kontrolle geratene Sexualität, die häufige Selbstbefriedigung, die Promiskuität sind die Haupteinfallstore der Versklavung. Der Mensch muß sich rüsten gegen diese Feinde. Wer ist stark? Wer seine Ehefrau liebt und sich nicht von seinem Pimmel beherrschen läßt. Ganz einfach. Wer ist frei? Der keusche Mensch. Nach der Sexualität, die ausgebeutet wird, folgt die Fresserei und die Sauferei. Es ist die Ebene der Drogen, die den Kick verspricht. Ob das nun Alkohol ist oder Haschisch oder das härtere Zeug à la Kokain, LSD, usw. Das sind Süchte, die den Menschen knechten. Ein süchtiger Mensch ist leichter zu kontrollieren als ein Hund.

Mensch, wenn du frei sein willst, dann leg die Scheiße ab, die dich kontrolliert. Hör auf mit der Sexsucht, mit den Drogen, mit den Kicks. Geh auf Entzug oder wie es die Kirche sagt: Fang endlich an zu fasten! Das ist der Weg in die Freiheit! Und nichts anderes. Nenn das Böse böse und das Gute gut!